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15/05/2024
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Gärten der Seele

Der Veranstalter des Kulturabends in der Botschaft der Republik Usbekistan in Berlin und der Organizer der vielen kulturellen Aktivitäten, wie z.B. Tänze, kurze Theaterstücke und Lesungen war Frau Prof. Kathleen Göbel, Vorstandsmitglied des Cultur-Cooperation International e.V. Im Fischgrund 45, 13465 Berlin. Der Beitrag von Frau Göbel war neben der Moderation des Kulturabends eine kurze Einführung über die Gärten der Seele in verschieden Regionen  und Epochen in Zentralasien. Es folgt der Text von Frau Prof. Kathleen Göbel mit der Ergänzung der Vollnamen und Daten der erwähnten Personen als redaktionelle Anmerkungen der BKZ (Berliner Kriminalitätszeitung):

Zahir ad-Din Muhammad Babur Begründer der Mogul Dynastie

(geb. am 14. Februar 1483 in Andischon, gestorben am 26. Dezember 1530 in Agra in Indien)

Babur wurde als Sohn von Umar Sheikh Mirza, einem Urenkel von Amir Timur und Herrscher über das fruchtbare Ferghanatal im heutigen Usbekistan, geboren. Seine Mutter, Qutlugh Nigar Khanum war eine Tochter von Yunus Khan, dem Herrscher von Taschkent. Nach dem frühen Ableben seines Vaters kam Babur mit 12 Jahren auf den Thron. Er hatte bereits den Plan gefasst, das mongolische Großreich seines berühmten Vorfahren mit Samarkand als Hauptstadt zurückerobern. Es kam aber anders: zunächst verbrachte er einige Jahre unter der Tutorenschaft seiner namhaften Lehrer (wie Xodja Ahrar und Khodja Mevlana Kalan) und auf der Wanderschaft, u.a. bis nach Taschkent und durch Afghanistan.

Dann nahm er an der Spitze seines kleinen Heeres zwar Kabul, Kandahar und Badakschan

ein, aber mit der Eroberung Afghanistans wollte es nicht so recht vorwärts gehen.

Schließlich wandte er sich nach Indien, das damals in viele kleinere Fürstentümer zersplittert war, machte sich als guter Stratege deren Zwistigkeiten zunutze, und besiegte 1526 in einer Entscheidungsschlacht die Heerscharen der Lodis bei Panipat, was der Schlagkraft seiner türkischen Artillerie zu verdanken war. So kam es, dass Babur der Begründer der mächtigen Mogul Dynastie wurde. Seines Erfolges konnte er sich jedoch nicht lange erfreuen, denn 4 Jahre nach seinem Sieg verstarb er in Agra.

Seine Nachfolge trat sein Sohn, Humayun „Der Glückliche“ an (regierte von 1530-1556). Seine Grabstädte befindet sich in seinem berühmten Baburgarten in Kabul. Babur war aber nicht nur Herrscher und Feldherr, er war bekannt für sein Feingefühl, für Esprit, Geschmack und Humor – wovon seine Memoiren, das Babur-name in glanzvoller Weise Zeugnis ablegen. Inspiriert von seinen großen geistigen Lehrmeistern, verfasste er philosophisch-mystische, aber auch botanische Werke, die in Zusammenhang standen mit den wundervollen, sagenumwobenen Gärten, die er erbaute und von denen einige heute auch noch erhalten sind.

Navoyi (geb. 9. Februar 1441 in Herat; † 3. Januar 1501 ebenda)

Nawo`i: „der mit harmonischem Klang“) stammte aus einer wohlhabenden und gebildeten

Familie uigurischer Volkssänger (Bachschis) und turksprachiger Kanzleischreiber. Sein Vater war ein hoher Staatsbeamter am Hof von Schokhrukh Mirso, dem Herrscher von Khorasan. Seine Mutter war Amme und Erzieherin der Prinzen, seine beiden Onkel waren Dichter und so fanden im häuslichen Umfeld Kulturabende statt, wobei auch Ghaselen vorgetragen wurden, so auch vom jungen Navoyi. Auch Navoyi ging in den Staatsdienst: sein Milchbruder Husayn B_yqar_ war Sultan der Timuriden geworden und Navoyi nahm die frühere hohe Position seines Vaters als Stadtplaner ein: in ganz Khorasan ließ er Medressen, Moscheen, Bibliotheken, Kranken- und Wohltätigkeitshäuser restaurieren oder neu errichten – insges. ca. 370. Besonders Herat erblühte während dieser Zeit. Und so ganz „nebenher“ gelang es ihm aber sich ebenso wie Babur der Dichtkunst zu widmen, auch verfasste er philosophisch-mystische Werke, betätigte sich als Gelehrter, Linguist, Kalligraf, Maler, Bildhauer, Komponist, Musiker und wurde so ganz nebenher namhaftester Repräsentant von in seiner Muttersprache Chagatai verfasster Literatur. Besondere für seine Gedichte wurde ihm Verehrung zuteil: so hinterließ er u.a. vier Diwane (Gedichtsammlungen) mit 50.000 vorwiegend tschagataischen Versen.

Tulpe Navoyi

Das Geheimnis der Tulpe von Nawo`is Kompositionen sind besonders die Musikstücke Gulzar „Blumenfeld“ und Lalazar „Tulpenfeld“ bekannt, die aus Anlass des Neujahrfestes Nowroz in Mazar der Hauptstadt der Provinz Balkh auch heute noch besungen werden in Afghanistan in der Urform einstimmig gespielt. Der Komponist Anuschiravan Rohani hat eine mehrstimmige Version arrangiert und der amerikanische Komponist William Harvey schrieb eine „verwestlichte“ Instrumentalfassung für Geige.

Hundertblättrige Tulpe von Babur

In seinem B_bur-n_me widmet sich auch Babur einer Tulpe, die vereinzelt wild an einem

Berghang des Baran-Tales wächst und ihn durch ihr besonderes Aussehens entzückte. Er gab ihr den Namen _adbarg l_la: „hundertblättrige Tulpe“. Anhand seiner Beschreibung wurde sie inzwischen identifiziert: sie wächst auch heute vereinzelt dort noch und trägt den botanischen Namen Tulipa orthopoda. Ungewöhnlich ist sie tatsächlich, denn ihr kurzer Stängel trägt gleich mehrere weiß-gelbliche Blüten, so dass sie den Eindruck eines Tulpenstraußes erweckt.

Das deutsche Wort Tulpe leitet sich vom persischen dulband ab, dem der türkische Begriff

tülbend zugrunde liegt, der die roten Turbantücher vornehmer Osmanen bezeichnete.

Im Persischen wie im Osmanischen lautet der Name für rote Blumen wie Klatschmohn,

Anemonen und Tulpen l_leh, abgeleitet aus dem Sanskrit_ l_l (Rot). Die Osmanen brachten die Wildtulpe (tülbend-lalesi) aus dem Pamir, dem Hindukusch, und Tian Shan mit nach Anatolien von wo sie ihren Einzug in die osmanischen Palastgärten hielt, wo die Gartenkultur in hoher Blüte stand.

Fatih Sultan Mehmet (geb. 30. März 1432 in Edirne; gest. 3. Mai 1481 bei Gebze):

Er war einem Zeitgenossen von Navoi & Babur. Es war eine Blütezeit für Poesie, Musik, Tanz und Kunst, und der Osmanische Hof feierte mit Diplomaten und adeligen Gästen prunkvolle Tulpenfeste, deren Ruf sich in aller Welt verbreitete Von Fatih Sultan Mehmet (einem Zeitgenossen von Navoi / Babur) berichten die Chroniken, dass er um den Topkapi Serail so weitläufige duftende Blumengärten anlegen ließ, dass es zu deren Pflege an die neunhundert Gärtner bedurfte – so erfährt Europa erstmalig 1555 von der Tulpe durch ein Schreiben des Gesandten Kaiser Ferdinands I. in Konstantinopel, in dem dieser sie als tulipa turcarum bezeichnet. Das Tulpenmotiv ist in der gesamten Region im weltlichen wie im spirituellen Kontext symbolträchtig und unverzichtbar: in der Kalligrafie wie in illuminierten Handschriften und ganz besonders als Ornament auf den Gartenteppichen spielt sie eine ebenso bedeutsame Rolle wie in den echten Blumenbeeten. Manche Teppiche erfüllen die Funktion von Gärten: Sei es der Gebetsteppich als Oase und Rückzugsort oder die üppig mit Blumen, Pflanzen, Bäumen, Früchten, Vögeln und Tieren verzierten Teppiche. Von besonderen Wert ist die Sparte jener – oft antiker, teils sogar in den Chroniken erwähnten Teppichen (Ardabil/ 637 Ctesiphon u.a.), die den Grundriss und Planung des Paradiesgartens aufzeigen, dem eine Vierteilung (chahar Bagh) zu Grunde liegt. Die Kostbarkeit eines Gartens ist in südlichen Ländern umso verständlicher, wo ein Garten insbesondere vor dem Hintergrund der Kargheit einer Wüstenlandschaft ein Fest für die Sinne ist mit seinem Reichtum an erfrischendem Grün, in Überfülle tragenden Obstbäumen, Dattelpalmen, Granatapfelsträuchern, Weinreben und farblich abgestimmten Blumen an plätschernden Wassern kühlen Schatten spendet – die Luft sollte durch Kampfer, Ingwer, Moschus und Jasmin parfümiert sein. Gleich, ob es sich um weltberühmte Gärten wie den des Taj Mahal in Agra, den Shalimar Garten in Srinagar, den Generalife der Alhambra, Medressen und Moscheeanlagen oder um das kleine sommerliche Bauerngärtchen hinterm Haus handelt – das

grundlegende Schema, auf dem sie beruhen, ist das eines Paradiesgartens, dessen Grundriss von den vier Paradiesströmen oder ersatzweise sich kreuzenden Wegen gebildet wird, die sich in weitere, immer kleiner werdende quadratische Einheiten teilen, die mit blühenden oder früchtetragenden Bäumen, Blumeninseln, Kräutern etc. gefüllt sind, wie es im Abendland von den Klostergärten übernommen wurde.

Shalimar Bagh – Der irdische Paradiesgarten und Taj Mahal

Drei Jahre hatte Moghulherrscher Nūruddīn Shāh Jahāngīr Pādshāh Ghāzī (geb. 31. August 1569 in Fatehpur Sikri; gest. 28. Oktober 1627 in Kaschmir) (Nachfahre von Babur) auf das Jawort der verwitweten Mehr un-Nissa gewartet, ehe sie, die Liebe seines Lebens, seine zwanzigste und letzte Ehefrau wurde. Sie erwies sich als starke und charismatische Gefährtin an seiner Seite mit Geschick für Regierungsangelegenheiten und er ließ sie gewähren, so dass sie über fünfzehn Jahre hin zur eigentlichen Macht hinter dem Thron wurde und Privilegien genoss, die vor ihr keiner Frau zugebilligt worden waren, wie das Recht auf ein eigenes Siegel zur Unterzeichnung von Staatsdokumenten und an seiner statt Gericht abzuhalten. Niemals betrog sie sein unbedingtes Vertrauen und er ließ sie gewähren. (Ihre Nichte war die tragisch früh verstorbene Mumtaz Mahal, der ihr untröstlicher Ehemann, Shah Jahan, mit dem Taj Mahal ein Denkmal über die Jahrhunderte hin setzte.) Als ein Zeichen seiner übergroßen Zuneigung hatte Jahangir seiner geliebten Königin den Beinamen Nur Jahan (Licht Jahans / Licht der Welt) verliehen. Sie sollte geehrt und glücklich sein und so ließ er die sagenumwobenen Shalimar- Bagh Gärten anlegen, die heute noch als Inbegriff der Subtilität eines Paradiesgartens gelten. Nach Fertigstellung der Gärten äußerte der Herrscher seine Zufriedenheit unmissverständlich: „Wenn es ein Paradies auf Erden gibt, dann ist es hier!“ – zurecht, denn er hatte das Wunderwerk vollbracht, einen irdischen Paradiesgarten zu schaffen – ein über dem Dal-See thronendes Atlantis mit reinem Quellwasser, das oberhalb in den

Hügeln entsprang, den Garten durchfloss, Fontänen speiste, für die Bewässerung der üppigen und kunstvoll arrangierten Blumenbeete unter kleinen Brücken hindurch über die entzückende Pavillons erbaut waren, plätscherte, ehe es in Kaskaden in den Dal-See sprudelte. Gesäumt war der Wasserlauf von majestätischen Platanenalleen mit Jahrhunderte alten Baumriesen

Der Zugang zum Garten war nur auf dem Wasserweg und über die unterste Terrasse

des Farah Baksh, des Erfreulichen Gartens, möglich, der öffentlich war und den Untertanen

des Moghuls zur Verfügung stand.

Angelockt vom Duft der Rosen, trat ich in den Garten ein,

wie die Nachtigall zu finden Heilung meiner Herzenspein –

blickte wehmutsvoll versonnen auf der roten Rosen Pracht,

die wie lustige Laternen strahlten in der dunklen Nacht.

Hafiz (Xodja Schemseddin  Moḥammad Ḥāfeẓ-e Shīrāzī, geboren um 1315 oder 1325 in Schiras, Iran; gestorben um 1390 ebenda)

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