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24/11/2024
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Schnitzer: Deutschland hatte vor 15 Jahren 6% der Patente weltweit, jetzt nur 3%

Monika Schnitzer ist Professorin für Komparative Wirtschaftsforschung

BKZ: Guten Tag, wer sind Sie?

Schnitzer: Mein Name ist Monika Schnitzer. Ich bin Professorin von der Universität München und Mitglied des Sachverständigenrates.

BKZ: Warum sind Sie heute da im Haus der Bundespressekonferenz?

Schnitzer: Wir haben heute unser Jahresgutachten vorgestellt und der Kanzlerin übergeben und ja, hier in der Bundespressekonferenz etwas über den Inhalt des Gutachtens gesagt und darüber diskutiert.

BKZ: Was gab es Besonderes, was war Ihre Aufgabe in diesem Gutachten, für welchen Teil waren Sie verantwortlich?

Schnitzer: Nun, das ist natürlich immer ein gemeinsames Produkt, aber ich konkret habe mich vor allen Dingen mit dem Produktivitätsbericht auseinandergesetzt, das ist unsere Aufgabe als Sachverständigenrat, zum Thema Produktivität in jedem Jahr etwas zu schreiben. In diesem Jahr haben wir uns angeschaut: Wie hat sich denn die Krise ausgewirkt auf Unternehmensgründungen, auf Unternehmensschließungen, auf Arbeitsverhältnissse, Beendungen und neue Arbeitsverhältnisse, die begonnen werden? Und wir haben als zweites großes Thema Datenökonomie, Digitalisierung. 

BKZ: Es gab für die Wirtschaft eine dunkle Zeit in der Corona-Krise, aber es gibt jetzt Nachholbedarf. Kann man jetzt wieder ausgleichen, was verloren gegangen ist? Oder braucht es ein paar Jahre, um das nachzuholen?

Schnitzer: Nun, tatsächlich hat sich die Wirtschaft ja wirklich sehr schnell wieder erholt. Aktuell stagniert das so ein bisschen wegen der Lieferengpässe, die wir hatten, aber grundsätzlich ist es gar nicht so, dass so viel verloren gegangen ist. Wir hatten beispielsweise sehr viel weniger Unternehmensschließungen, als man das üblicherweise in einer Rezession hätte. Normalerweise hätten wir da viele Insolvenzen, viele Marktaustritte, das ist nicht passiert, weil die Regierung hier mit Unternehmenshilfen sehr stark geholfen hat. Und insofern ist am Ende natürlich etwas verloren gegangen, aber die Chance besteht, dass wir das auch schnell wieder aufholen.

BKZ: Aber wenn das Finanzamt diese Finanzhilfen doch aus irgendwelchem Grund wieder zurückverlangt, dann folgt eine Insolvenzwelle für die kleinen Unternehmen, dann gibt es noch mehr Arbeitslose, oder nicht?

Schnitzer: Nein, das erwarten wir tatsächlich nicht. Wir haben ausgerechnet oder abgeschätzt, wieviele Insolvenzen würden möglicherweise zu erwarten sein, wieviele haben denn weniger stattgefunden? Wir sind auf 3500 Insolvenzen gekommen, die jetzt nicht stattgefunden haben, die man normalerweise bei den Wirtschaftszahlen hätte erwarten sollen, 15000 Betriebsaufgaben, die jetzt nicht stattgefunden haben, die man bei den Zahlen normalerweise hätte erwarten sollen, aber sie haben ja bewusst deswegen nicht stattgefunden, weil man ihnen geholfen hat und die werden deswegen auch nicht am Ende dann wieder nachgeholt werden oder jedenfalls nur ein Teil davon. Und es sind vor allen Dingen kleine und Kleinstunternehmen, deren Betriebsaufgaben jetzt nicht stattgefunden haben, also der gesamtwirtschaftliche Effekt wäre ja auch nicht so groß.

BKZ: Sie haben heute über die technologische Souveränität gesprochen. Und dafür braucht man sicher Digitalisierung und Infrastruktur. Aber ich finde, Deutschland ist nicht so supertoll in Kommunikation und Internet im Vergleich zu anderen Ländern. Finden Sie das so korrekt? Muss Deutschland mehr in diesem Bereich investieren?

Schnitzer: Ja, tatsächlich sehen wir, dass Deutschland da zurück ist. Nicht nur die öffentlichen Verwaltungen  – das haben wir ja in der Krise besonders stark gemerkt, dass wir zuwenig Digitalisierung in der Verwaltung haben –  , aber auch unsere Unternehmen sind nicht so weit. Wir sehen, dass die viel weniger datengetriebene Geschäftsmodelle nutzen, dass sie viel weniger Cloud Computing nutzen oder datenbasierte Plattformen, das heißt, an der Stelle fehlt es auch in der Wirtschaft und da gibt es auch viel aufzuholen. 

BKZ: Noch mal zu künstlicher Intelligenz und 5 G und diesen Dingen. Deutschland ist bei diesen Themen nicht vorn, oder?

Schnitzer: Nun, Deutschland war eigentlich sehr weit vorne. Wir hatten noch vor 15 Jahren 6 Prozent der Patente weltweit. Und das hat sich in den letzten Jahren reduziert, jetzt sind wir nur noch bei ungefähr 3 Prozent der Patente weltweit. Das liegt natürlich zum Teil daran, dass China jetzt sehr stark aufgeholt hat. Gleichzeitig stellen wir fest, die Vereinigten Staaten haben es geschafft, ihren Anteil am Weltmarkt zu halten. Insofern sollte man denken, da könnte Deutschland besser sein.

BKZ: Was kann die nächste Bundesregierung machen, in allen möglichen Bereichen mit Informationstechnologie im Allgemeinen und Digitalisierung? Was empfehlen Sie der Bundesregierung?

Schnitzer: Ich glaube, es braucht tatsächlich eine große Digitalstrategie. Man muss sich überlegen, wo wollen wir hin? Wie sieht die Welt in 20 Jahren aus? Was müssen wir jetzt dafür tun, dass wir diese Welt dann auch tatsächlich souverän gestalten? Wir müssen uns beispielsweise Gedanken machen darüber, wie wollen wir Daten austauschen? Wie können wir Daten nutzen für Geschäftsmodelle, um das Leben der Bürgerinnen und Bürger leichter zu machen? Dafür brauchen wir eine klare Strategie, die Prioritäten setzt und klare Meilensteine, damit man auch nachverfolgen kann, ob die Strategie tatsächlich durchgegriffen hat.

BKZ: Die großen Konzerne jetzt sind Google, Ali Baba, Microsoft, IBM, Amazon, Apple und so weiter. Unter diesen sind keine deutschen Namen und diese Tendenz steigt. Außerhalb von Europa dominieren sogar viele Konzerne die Wirtschaftsebene und die Deutschen kommen nicht mit in diesen Bereichen, oder?

Schnitzer: Das sehe ich tatsächlich als Problem. Wir haben bisher zuwenig unseren europäischen Markt benutzt, um den Unternehmen eine Chance zu geben zu skalieren, also ein Grund, warum die in den Vereinigten Staaten und in China vor allen Dingen so groß werden, ist, dass sie da einen größeren Markt haben, besser skalieren können. An der Stelle, wo wir heute sind, ist natürlich auch ein Wettbewerbsproblem. Wir haben jetzt Märkte, die sehr stark konzentriert werden. Da wird es notwendig sein, auch wettbewerbsrechtliche Möglichkeiten zu nutzen, um dafür zu sorgen, dass es da wieder Wettbewerb geben kann. Das passiert aktuell beispielsweise mit dem Digital Markets Act und das wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

BKZ: Die allerletzte Frage richtet sich auf die Steuerlage hier. Also, Deutschland nimmt soviel Steuern von Investoren. Spielt das eine Rolle? Dazu kommt die Schuldenbremse und Deutschland muss von den Investoren immer so viel Steuern einnehmen. Dann investieren die Leute irgendwo anders. Können Steuererleichterungen bei großen Konzernen nicht der Wirtschaft mehr helfen? Damit es auf Weltebene auch mehr große deutsche Konzerne gibt?

Schnitzer: Also aktuell diskutiert wird, und das ist tatsächlich eine sinnvolle Lösung, dass man über erleichterte Abschreibungsmöglichkeiten nachdenkt. Das könnte man machen, ohne dass sozusagen im Gesamthaushalt sehr viel Geld fehlt, weil es einfach nur verschoben wird, aber den Unternehmen jetzt hilft. Gleichzeitig ist natürlich die aktuelle Bestrebung, einen internationalen Mindeststeuersatz einzuführen, etwas, was wiederum vermeidet, dass Unternehmen eben allein wegen der Steuer in andere Länder abziehen, und insofern ist das, glaub’ ich, der Weg, der an der Stelle helfen könnte.

BKZ: Vielen Dank für Ihre Zeit.

Schnitzer: Ich danke Ihnen.

Interview geführt von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Kirsten Mische

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