Fotoquelle: mwfk.brandenburg.de
Die Rede von Tobias Dünow (Seit 20. November 2019 als Staatssekretär für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg) auf der Pressekonferenz des Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums zu den Restaurierungsarbeiten der Neuzeller Passionsdarstellungen
Den 01.11.2021 in Wünsdorf, Brandenburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich muss Sie gleich zu Beginn einmal korrigieren: Sie sagten, alle hier in diesem Raum hätten über Jahrzehnte an diesem Projekt gearbeitet. Ich muss gestehen, ich nicht. Ich habe nicht über Jahrzehnte daran gearbeitet, ich habe erst seit knapp zwei Jahren das große Vergnügen, im Hauptjob Aufsichtsratsvorsitzender der Stiftung Neuzelle zu sein und daneben Staatssekretär für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu sein und ich kann mich also nicht mit fremden Federn schmücken, sondern kann mich einmal nur kurz verbeugen, und zwar doppelt. Zum einen vor Ihnen und der Arbeit hier im Landesamt, die spektakulär mir zu sein scheint, ich hab’s noch nicht gesehen, aber ich habe viel drüber gelesen, drüber gehört, und vor denen, die das ermöglicht haben, das war natürlich auch ein klitzekleines Bisschen das MWFK, aber ich habe die Summen in den Unterlagen, ich will sie aber, um jetzt nicht weiter zu beschämen, gar nicht vorlesen. Ich formuliere es zurückhaltend: Der Löwenanteil kommt nicht vom MWFK, sondern der kommt vom Bund und von der Sparkassenstiftung und von der Sparkasse und allen dreien muss man wirklich angemessen demütig danken, tue ich hiermit.
Ich muss noch zwei Bemerkungen machen. Die erste Bemerkung ist eine persönliche und die zweite ist auch eine persönliche. Die erste Begegnung. die erste Bemerkung ist, als ich… nein, als meine Lebensgefährtin das erste Mal mit dem Zug von Frankfurt nach Cottbus gefahren ist, hat sie mich danach angerufen – wir kommen beide nicht gebürtig aus Brandenburg – und hat gesagt: „Total verrückt, ich bin da mit dem Zug entlanggefahren, da guck ich aus dem Fenster und da habe ich irgendwie eine Art von Erscheinung. Offensichtlich scheint es da irgendwie eine, eine, eine barocke Klosteranlage von berückender Schönheit zu geben – und da war ich noch nicht in Brandenburg, und heute wüsste ich natürlich darauf zu antworten – und ich kann diesen Eindruck nur bestätigen, wenn es irgend…es gibt viele spektakuläre, tolle Sachen in, in, in Brandenburg, aber dass es so ausgeprägt wunderschönen Barock gibt wie in Neuzelle, das wusste ich vorher nicht und ich finde, das sollten doch viel mehr Leute wissen.
Der zweite Punkt, der dazugehört, weil ja gelegentlich in der breiteren Gesellschaft, in der Politik, manchmal auch über Sinn und Unsinn von Denkmalschutz geredet wird und über die Frage, ob das denn eigentlich das Geld wert ist, und was das denn eigentlich soll und ob man nicht damit, keine Ahnung, neue Wohnungen besser bauen sollte… In Neuzelle kann man sehen, wie Denkmalschutz funktioniert, wenn er richtig, richtig gut gemacht wird. Mit viel Geld, zum Glück nicht nur mit unserem Geld, wir hätten uns das alleine gar nicht leisten können, mit einem wahnsinnig langen Atem – das ist ja sozusagen mit eine der Besonderheiten der Denkmalschutzarbeit, dass sie im … dass Sie als Denkmalschützerin und Denkmalschützer in zeitlichen Kategorien denken, die der… den der Politik gelegentlich ein bisschen fremd sind, weil wir immer nur von Legislatur zu Legislatur denken können, notwendigerweise, oder von Haushalt zu Haushalt – Sie haben ganz andere Perspektiven. Und bei dieser Passionsdarstellung zeigt sich, dass das gut ist, dass Sie uns geelegentlich daran erinnern, dass es auch einen längerfristigen Rahmen braucht.
Und die zweite persönliche Vorbemerkung ist eine … Ich war gestern … ich muss dazu sagen, ich bin nicht Brandenburger Protestant und ich war gestern beim Jahresempfang der LKWO zum Reformationstag und sozusagen die Tatsache, dass ich am Tag drauf sozusagen mittelbar bei der Präsentation eines der wirklich außergewöhnlichsten Zeugnisse der Gegenreformation bin, das find ich sehr unterhaltsam.
Als ich das erste Mal in diesem wirklich außergewöhnlich spektakulären Museum, der wirklich außergewöhnlich spektakulären Anlage in Neuzelle war, das Museum ist wirklich spektakulär, mit viel Geld hinge… hergerichtet worden, aus meiner Sicht in Brandenburg noch gar nicht hinreichend bekannt, dafür, dass es so spektakulär ist, wird ja bald auch alles besser mit Welcome-Center und allem, was damit zusammenhängt, als ich das erste Mal da war, habe ich gedacht „Meine Güte, so wild haben die’s getrieben in der Reformation, also in der Gegenreformation?“ Ich bin sozusagen geprägt in meinen verschütteten christlichen Bildungserlebnissen durch acht Passionen, so, wo man sozusagen… naja… sehen darf man, Schrift lesen darf man natürlich auch als Protestant immer, aber in der Karwoche… Theatrum Mundi in aller jesuitischen Pracht sozusagen in der Kirche, das fand ich… hat mich im Nachhinein fast noch empört, aber nachdem ich mir die Sachen dann angesehen habe und gesehen habe, was man daran alles kulturhistorisch aufzeigen kann, natürlich konfessionelle Streitigkeiten, aber überhaupt das Konzept sozusagen von Welttheater, die Frage des Medienwandels, die Frage der Materialität von solchen Gegenständen, hab ich gedacht, okay, jetzt sozusagen nicht mein Geschäft gewesen, aber das Ergebnis ist wirklich ganz, ganz toll.
So, wir werden das nachher – hoffe ich jedenfalls – auch noch ’n bisschen sehen und uns gemeinsam anschauen können und ich hoffe, dass die Menschen, die hier alle im Raum viel klüger sind als ich und mir das viel besser erklären können, noch ein bisschen sozusagen zur historischen und kulturhistorischen, vor allen kunsthistorischen Eindrücken dazu sagen können, ich kann wirklich nur ganz laut „Danke, danke, danke!“ sagen an die, die’s finanziert haben, an die, die’s umgesetzt haben, an die, die’s verwahren… verwahren ist ja Unsinn, ist ja nicht nur verwahren, sondern neu zum Leben erwecken, weil das Museum ist ja nicht ’ne Verwahranstalt, ist ja kein Depot, sondern es ist ja sozusagen ein.. ein. ein Schau-Depot, wenn überhaupt Depot, wo Sie, Herr Kannowsky, und Ihre Kolleginnen und Kollegen in Neuzelle jeden Tag versuchen, sozusagen das jetzt nicht zu profanisieren, das wäre auch. muss ich selbst als überzeugter Protestant sagen, natürlich ein schlimmes Verbrechen, nein, man darf nicht profaniseren, man muss es natürlich popularisieren, man muss es vermitteln, es erklärt sich nicht von selbst.
Und ja,dass Sie das möglich gemacht haben, dass wir darüber reden im Jahr 2021 nach vielen, vielen, vielen Jahrzehnten der Arbeit daran, nach offensichtlich ganz schlimm verunglückten Formen der Restaurationsbemühungen, das find ich großartig, das ist wirklich ein Tag zum Feiern und es lohnt sich, lohnt sich glaub ich auch sonst, aber es lohnt sich, dafür auch mal ’n paar Kilometer zu fahren, sei es hier zu Ihnen ins Landesamt, sei es nach Neuzelle, weil das gibt es in Brandenburg nicht noch mal, in Deutschland kaum noch mal und weltweit an ganz wenigen Orten, und ja, darauf können wir ein bisschen stolz sein und aber heute wie gesagt ein letztes Mal danke sagen. Vielen Dank!
Aufgezeichnet von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Kirsten Mische