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31/03/2025
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Einige kurze beispielhafte Nasrudin-Geschichten, Ausgewählt von Kathleen Göbel

Die Vorsitzende des Cultur-Cooperation International e. V., Frau Kathleen Göbel, am Lesepult neben Herrn Majid Khan Lodhy (Stellvertreter der Botschafterin von Pakistan in Berlin) und der Bezirksbürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf Frau Maren Schellenberg

Wo mehr Licht ist

Der Mond schien und es war schon spät in der Nacht, als Nasrudins Nachbar nach Hause kam. Da sah er den Mullah auf allen Vieren am Straßenrand bei der Laterne auf dem Boden herumkrochen.

„Was tust du da, Nasrudin? Hast du etwas verloren?“

„Ja, meinen Schlüssel!“

Da lagen nun beide auf den Knien und suchten gemeinsam. Nach einer ganzen Weile fragte der Nachbar:

„Wo genau hast du ihn denn verloren?“

„Bei mir im Haus!“ 

„Ja aber warum suchst du ihn denn dann hier draußen?“

„Weil es hier heller ist!“

  • Wo ist die Katze?

Mullah Nasrudin war auf dem Markt und hatte zwei Kilo Fleisch gekauft, denn am Abend erwartete er Gäste. Nasrudins Frau bereitete das Essen. Es roch köstlich, doch als es schließlich aufgetragen wurde, gab es kein Fleisch, denn sie hatte

es aufgegessen. Er nahm sie beiseite und stellte sie zur Rede:

„Wo ist das Fleisch?“

„Die Katze hat es aufgefressen!“

Da schnappte sich Nasrudin die Katze und packte sie auf die Waage.

Sie wog zwei Kilo.

„Wenn das hier die Katze ist, wo ist dann das Fleisch?

Oder andersrum: sollte dies das Fleisch sein, wo ist dann die Katze geblieben?“

  • Der Schmuggler

Nasrudin pflegte einmal pro Woche auf einem Esel reitend über die Grenze, nach Griechenland zu reisen. Das tat er schon seit Jahren. Nie hielt er sich lange auf, jedes Mal kehrte er binnen kürzester Zeit zurück. Und jedes Mal kehrte er ohne die beiden mit Stroh gefüllten Körbe, die er auf dem Hinweg mit sich führte, zurück. Dass Nasrudin schmuggelte, war ein offenes Geheimnis. Aber was? Die Zöllner durchsuchten Nasrudin, seine Taschen,

die Körbe, das Stroh vergebens. Und Nasrudin wurde zusehends wohlhabender.

Nach vielen Jahren traf Nasrudin auf seinen Reisen einen der Zöllner, der nun längst im Ruhestand war. Es ließ ihm einfach keine Ruhe und er drängte Nasrudin sehr:

„Jetzt, nach all den Jahren kannst du es mir doch verraten: Was um alles in der Welt hast du denn damals geschmuggelt?“

„Esel.“

  • Entensuppe

Ein entfernter Verwandter vom Lande besuchte Nasrudin und brachte eine Ente mit. Nasrudin war dankbar und brachte sie in die Küche damit seine Frau sie zubereite.

Bald teilten sich Nasrudin und sein Gast das schmackhafte Gericht. Nicht lange darauf kam ein anderer Gast zu Besuch. Er stellte sich vor als „der Freund des Mannes, der dir die Ente brachte“. Nasrudin bewirtete auch ihn. Das geschah nun aber wieder und wieder. Nasrudins Haus war fast schon zu einem Gasthaus für Besucher vom Lande geworden. Und jeder von ihnen stand in der einen oder anderen Weise in freundschaftlicher Verbindung zu dem ursprünglichen Entenschenker. Schließlich reichte es Nasrudin.

Und das nächste Mal als wieder ein Fremder an die Tür klopfte:

„Ich bin ein Freund des Freundes von dem Freund des Mannes, der dir damals die Ente mitgebracht hat“, sagte er.

„Komm herein“.

Sie unterhielten sich eine Weile, bis Nasrudin schließlich seine Frau bat, die Suppe aufzutragen. Der Gast kostete, war irritiert, kostete wieder und fragte Nasrudin dann:

„Was ist das für eine Suppe?“, denn sie schmeckte, als sei es nichts als heißes Wasser.

„Das ist die Suppe von der Suppe von der Suppe von der Ente.“

  • Gute Beziehungen

Nasrudin war mit seinem Esel auf dem Rückweg vom Basar. Die Straße ging steil bergauf und der kleine Esel war so schwer mit all den Waren beladen, dass er vor Erschöpfung zusammenbrach. Als alles Schimpfen und Schreien nichts half, schlug ihn der Mullah mit dem Stock. Die Königin hatte das Geschehen aus ihrem Palastfenster verfolgt und rief gebieterisch:

„Mullah! Unterlass das augenblicklich! Siehst du denn nicht, wie erschöpft das Tier ist?“

Da flüsterte Nasrudin seinem Esel leise ins Ohr:

„O, entschuldige bitte! Ich ahnte ja nicht, dass du so gute Beziehungen zum Königshaus unterhältst!“

  • Der Beweis

Eines Samstagnachmittags klopfte Nasrudins Nachbar an die Tür:

„Nasrudin, bitte leihe mir deinen Esel!“

„Ach, das tut mir aber leid. Gerade eben hab ich ihn bereits ausgeliehen!“

Das letzte Wort war noch nicht gesprochen, da hörte man den Esel laut brüllen und der Klang kam unzweifelhaft aus dem Stall.

„Aber Mullah, ich hör den Esel doch brüllen! Er muss drüben im Stall sein!“

Kurz bevor Nasrudin dem Mann die Tür vor der Nase zuschlug, sagte er in aller Würde:

„Ein Mann, der dem Gebrüll eines Esels mehr Glauben schenkt als meinen Worten, verdient es nicht, dass man ihm etwas borgt!“

  • Speise fürs Gewand

Nasrudin war zu Ohren gekommen, dass der Emir in der nahegelegenen Stadt ein festliches Baquet gab zu dem jedermann geladen sei. Unverzüglich machte er sich auf den Weg in die Stadt. Der Portier am Eingangstor verzog das Gesicht, als er Nasrudin in seinem zerlumpten Kleidern sah und setzte ihn fernab der Festtafel, an der die Vornehmen saßen, in die hinterste Ecke des Festsaals. Nasrudin stellte schnell fest, dass es mindestens eine Stunde dauern würde, wenn nicht erheblich länger, ehe die Diener mit den Speisen bis zu seiner Ecke vorgedrungen wären. So stand er auf und ging wieder nach Hause. Dort zog er sich um, kleidete sich in seinen prächtigsten Mantel und wählte seinen größten und kostbar mit Pelz verbrämten Turban.

Sobald die Herolde des prächtig gekleideten Mullahs ansichtig wurden, schlugen sie die Trommeln zum Willkommen, wie es einem Besucher von hohem Rang gebührte.

Der Zeremonienmeister persönlich kam heraus und geleitete Mullah Nasrudin zu einem Platz in nächster Nähe des Emirs.

Kaum, dass Nasrudin Platz genommen hatte, da stand auch schon die erste Platte mit erlesenen Speisen vor ihm. Nasrudin begann nun, sich das Essen Händeweise in die Taschen seines Gewandes und in die Falten seines Turbans zu stopfen.    

Da sprach ihn der Emir in aller Höflichkeit an: Euer Ehren, ich wüsste gerne, was es mit Euren Essgewohnheiten auf sich hat, sie sind mir neu.“

„Oh… nichts Besonderes“, sagte Nasrudin.

„Das Gewand hier hat mich an Eure Seite gebracht und verschaffte mir all das köstliche Essen. Hat es da nicht seinen Anteil verdient?“

  • Was fragst du mich?

Nasrudins Esel hatte sich über etwas erschrocken und ging durch. Er raste die Straße entlang aufs Dorf zu. Die Dorfbewohner, die ihm entgegenkamen, blieben stehen, erstaunt darüber, mit welch ungewöhnlicher Geschwindigkeit sich der sonst so geruhsame Nasrudin fortbewegte. Einer von ihnen rief hinter ihm her:

„Nasrudin, wo um alles in der Welt willst du denn hin?“

„Was fragst du mich, frag meinen Esel!“

  • Der berühmteste arabische Geschichte „Nagel von Dschuha/Nasrudin“

Dschuha verkaufte sein Haus – mit Ausnahme eines einzigen Nagels. Dschuha bedingte sich aus, seinen Nagel im Haus zu jeder Zeit besuchen zu dürfen, weil er ihn sehr gern habe. Der Käufer nahm diese Bedingung, ohne zu zögern, an. Am Morgen ging Dschuha hin, um seinen Nagel zu besuchen. Der Mann lud ihn zum Frühstück ein. Am Mittag betrat Dschuha das Haus, um wieder seinen Nagel zu besuchen, und der Mann lud ihn zum Mittagessen ein. Am Abend wiederholte Dschuha den Besuch, und der Mann lud ihn zum Abendessen ein. Dschuha Besuche wiederholten sich jeden Tag, bis der Käufer ärgerlich wurde und am Ende seiner Geduld war. Aber er konnte Dschuha nicht verbieten, den Nagel zu besuchen, weil der Kaufvertrag Dschuha diese Besuche nicht verbot. Monate und Jahre vergingen, und Dschuha wiederholte seine störenden Besuche, bis der Käufer sein Problem löste: Er verzichtete endgültig auf das Haus und überließ es samt Nagel wieder Dschuha.

Ausgewählt von

Kathleen Göbel

Cultur-Cooperation International e.V.

cultur-cooperation@snafu.de

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