Foto Quelle: BMI. Dr. Felix Klein, seit Mai 2018 Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus
BKZ: Guten Tag, Herr Dr. Klein. Warum sind Sie heute im Haus der Bundespressekonferenz und was machen Sie heute da?
Klein: Wir haben heute das Lagebild Antisemitismus der Amadeu Antonio Stiftung vorgestellt. Das zeigt noch einmal, wie dramatisch sich die Situation des Antisemitismus in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 verändert hat.
BKZ: Und wie können Sie die Situation verbessern, diesen Antisemitismus bekämpfen?
Klein: Wir müssen einerseits dafür sorgen, dass Antisemitismus, wenn er auftritt, schnell geahndet wird, staatlich, wenn das strafrechtlich relevant wird, Polizei und Staatsanwaltschaft in die Lage versetzen, schnell zu handeln, schnelle Anklagen zu formulieren und dann auch die Gerichte ermuntern, dann auch rasch die Entscheidungen zu treffen. Und auf der präventiven Seite müssen wir dafür sorgen, dass Antisemitismus gar nicht erst entsteht. Wir brauchen Bildungsangebote, wir müssen auch die Erinnerungskultur stärken tatsächlich und die gesamte Gesellschaft dazu aufrufen, dass sie gefordert ist, Antisemitismus zu bekämpfen und nicht nur die Politik und Verwaltung. Und das übrigens auch noch einmal auf der repressiven Ebene, also wenn man im privaten Umfeld Antisemitismus mitbekommt, im Fußballstadion, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Nahverkehr, muss man widersprechen und sagen: Wir sind nicht einverstanden. Das kann nicht so stehenbleiben.
BKZ: Ich bin selber Araber und Moslem und habe überhaupt kein Problem mit Juden. Hier gibt es 5,5 Millionen Moslems, 2 oder 1,5 Millionen Araber. Deutschland hat wirklich ein Problem mit den Linken, nicht mit den Arabern oder den Moslems. Sind Sie auch der Meinung oder was meinen Sie?
Klein: Also wir dürfen auf keinen Fall alle 5,5 Millionen Muslime, die in Deutschland leben, unter einen Generalverdacht stellen. Die Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime ist nicht antisemitisch eingestellt. Und gleichwohl gibt es aber auch Antisemitismus in der gesamten Gesellschaft, auch bei Muslimen. Natürlich, sie sind ja auch ein Spiegel der gesamten Gesellschaft und jeder ist aufgerufen, Antisemitismus in seiner Nähe, in seinem Umfeld eben zu bekämpfen. Und was unselig und der falsche Ansatz wäre, ist, wenn wir jetzt eine Priorisierung vornehmen würden: Welche Form von Antisemitismus ist die gefährlichste und welche müssen wir vor allem bekämpfen? Das ist der falsche Ansatz. Wir müssse jede Form von Antisemitismus bekämpfen, egal, wie sie sich äußert, islamistisch, rechtsextrem oder eben auch von der Linken. Und gerade dieser linke Antisemitismus, den Sie angesprochen haben, ist im Moment besonders virulent. Er kommt oftmals im akademischen Gewand daher und findet Allianzen mit Gruppen, die es vorher nicht so gab.
BKZ: Letzte Frage, über die Rechtslage. Was können Sie über den Bundestag oder die Parteien in den Gesetzen verbessern, damit man juristisch den Antisemitismus bekämpfen kann?
Klein: Ja, wir müssen die Polizei und Staatsanwaltschaften und die Justiz in die Lage versetzen, eben schnell und effizient gegen Antisemitismus vorzugehen. Da brauchen wir die richtigen Strafgesetze und Strafbarkeitslücken, wenn sie eben noch bestehen, müssen wir schließen. Im Moment setze ich mich sehr stark dafür ein, dass wir den Aufruf zur Vernichtung anderer Staaten, das ja einen unglaublichen Hass auch beinhaltet….
Wenn ich einen anderen Staat vernichten will, dann will ich ja auch, dass die Menschen dort vernichtet werden – das müssen wir unter Strafe stellen, denn das gefährdet auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden hier bei uns. Und deswegen müssen wir den Aufruf zur Vernichtung ausländischer Staaten unter Strafe stellen, dass dann eben so ein Slogan, wie er oft skandiert wird auf anti-israelischen Demonstrationen „From the river to the sea, Palestine should be free“… das können wir dann eben besser ahnden durch Polizei und Staatsanwaltschaft.
BKZ: Aber Israelkritik ist kein Tabu hier in Deutschland, sondern Netanjahu und sein Krieg jetzt und seine rechtsradikale Regierung darf man kritisieren, aber mit Aufmerksamkeit und …
Klein: Ja natürlich. Jeder und jede kann Israel kritisieren und das passiert ja auch jeden Tag. Und jeder kann natürlich auch … selbst, wenn diese Kritik antisemitisch erstmal ist, wenn man z. B. das Existenzrecht Israels in Zweifel stellt, ist das erst einmal auch legal natürlich. Wir müssen auch Antisemitismus aushalten. Antisemitismus ist von der Meinungsfreiheit geschützt. Nur dann müssen sich diese Menschen, die das dann tun, auch nicht wundern, dass sie auch Widerspruch bekommen und natürlich auch entsprechend einer Gegenrede aufgestellt wird. Die rote Linie absolut ist dann natürlich überschritten, wenn Straftaten begangen werden, wenn der Holocaust geleugnet wird, wenn auch tatsächlich.
BKZ: Zerstörung des Staats Israel, auch als Straftatbestand.
Klein: Ja, das ist jetzt das, was ich fordere. Wenn jetzt im Moment eine Israel-Fahne verbrannt wird, ist das ein Straftatbestand. Das haben wir in der letzten Legislaturperiode so eingeführt und ich glaube auch, dass es nur konsequent ist, sozusagen diesen Straftatbestand dadurch abzurunden, indem man eben den Aufruf zur Vernichtung anderer Staaten unter Strafe stellt, denn das ist ja genau der politische Diskurs, den wir ablehnen, der, den wir auch wirklich pönalisieren müssen, weil die Gesellschaft sonst sehr stark unter Druck kommt.
BKZ: Vielen Dank für Ihre Zeit und vielen Dank für Ihre Geduld.
Klein: Ich danke Ihnen.
Interview geführt von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Kirsten Mische