Verschriftung des Grußworts des Innenministers von Brandenburg Michael Stübgen bei der Fachtagung Verkehrssicherheit 2021, die unter dem Motto „Länger mobil – aber sicher? Herausforderungen für eine sichere Mobilität älterer Menschen“ am 04.11.2021 in der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg in Oranienburg stattfand:
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Bereits zum sechsten Mal findet heute die gemeinsame Fachtagung des Verkehrs- und Innenministeriums mit dem Schwerpunkt Verkehrssicherheit statt. Auch in diesem Jahr, da bin ich mir sicher, wird es wieder angeregte Diskussionen, konstruktive Gespräche und Erkenntnisgewinne mit den Teilnehmern geben. In der Vergangenheit waren Themen wie
„Aspekte der Unfallaufnahme“, „Verkehrssicherheit auf Landstraßen“ oder „Ablenkung als Unfallursache“ Gegenstand der Fachtagung. In diesem Jahr – und ich denke, das ist ein ganz wesentliches Thema, und mein Kollege Beermann hat schon drauf hingewiesen – steht die Sicherheit von älteren Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern im Mittelpunkt der Veranstaltung. Erst am vergangenen Wochenende ereigneten sich zwei tödliche Verkehrsunfälle, an denen Senioren beteiligt waren und verstorben sind. Und blicken wir auf das vergangene Jahr, so passierte in Brandenburg alle 33 Minuten ein Verkehrsunfall, an dem ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger beteiligt waren. Nahezu alle fünf Stunden wurde eine Person über 65 Jahre im Straßenverkehr verletzt und jeden siebten Tag musste ein getöteter älterer Mensch bei einem Verkehrsunfall registriert werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind erschreckende Zahlen, aber wir müssen uns ihnen stellen. Gegenwärtig leben in Brandenburg knapp 639.000 Menschen älter als 65, das entspricht einem Viertel der gesamten Bevölkerung.
Schauen wir uns einmal die Bevölkerungsprognosen, die statistischen Schätzungen an, so gehen unsere Statistiker davon aus, dass schon im Jahr 2030 – und das ist solange nicht mehr hin – fast ein Drittel der Bevölkerung in Brandenburg 65 Jahre und älter ist. All diese Menschen haben ein Recht darauf, auch im Alter mobil zu sein. Sie sind zu Fuß, mit dem Bus, mit der Bahn, dem Auto, Fahrrad oder Pedelec, Speed Pedelec oder E-Bike – ich habe gerade im Auto einen Crash-Kurs über elektrisch unterstützte Fahrräder gemacht – unterwegs.
Ich kann mich noch genau da dran erinnern, vor ungefähr sechs Jahren war das, als ich noch nach Budapest gefahren bin, da bin ich von einer Rentnergruppe, die waren im Mittel mindestens zwanzig Jahre älter als ich, mit solchen Monstern überholt worden. Ich hatte mit meinem mechanischen Fahrrad überhaupt keine Chance, aber das ist auch gut so, auch dass es diese neuen Möglichkeiten gibt. Auf diese Weise erhalten sie… die älteren Menschen sich auch bis ins hohe Lebensalter hinein den größtmöglichen Grad an Autonomie. Mobil zu sein heißt, Kontakte zu pflegen, mobil zu sein heißt, Besorgungen zu erledigen, zu reisen, den Arztbesuch selbstständig wahrnehmen zu können. Kurzum, der Grad unserer Mobilität bestimmt den Grad unserer individuellen Freiheit. Wahr ist aber auch, dass mit zunehmendem Alter bestimmte Aktivitäten zusehends schwerfallen. Hinzu kommen die beständig komplexer werdenden Anforderungen an Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Das stetig wachsende Verkehrsaufkommen einerseits, neue Technologien und Assistenzsysteme, aktualisierte Verkehrsregeln und geänderte Vorschriften – all dies trifft im worst case auf nachlassende Sehkraft, eingeschränkte Beweglichkeit, schlechter werdendes Gehör und die Abnahme der Reaktionsfähigkeit. Es entsteht daraus eine für alle Beteiligten schwierige Situation.
Zum einen gesteht man sich die eigenen Schwächen nur ungern ein – das ist nicht nur eine Aussage für ältere Menschen – selbst dann, wenn man weiß, dass es so ist. Zum anderen – das kenne ich aus vielen Gesprächen aus meinem familiären Bereich, ich denke an meine Schwiegermutter – fällt es auch dem Angehörigen nicht leicht, ich sag mal, es ist fast unmöglich, einem lieben Menschen zu erklären, dass er mehr und mehr fahruntauglich geworden ist. Wir sollten uns allerdings jedoch nicht dem
Trugschluss hingeben, dass es allein das Lebensalter ist, das über die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr entscheidet. Das eigentliche und wesentliche Kriterium ist der gesundheitliche Zustand. Anders als das Lebensalter ist er ein zuverlässiges Indiz, über die tatsächliche Fahrtauglichkeit von Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern.
Deshalb sollten sich vor allem ältere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer regelmäßig ärztlich untersuchen lassen und gegebenenfalls ihre Schlüsse aus den Resultaten dieser Untersuchungen ziehen. Nach wie vor muss es unser Ziel sein, Seniorinnen und Senioren die Kenntnisse zu vermitteln, die ihnen dabei helfen, möglichst lange mobil bleiben zu können. Die sichere Teilnahme am Straßenverkehr ist aber nicht nur ein Thema der Seniorinnen und Senioren. Wir sind alle gefragt, denn ein angemessenes und respektvolles Klima auf den Straßen hilft auch unseren älteren Menschen dabei, sich im Straßenverkehr sicher zu fühlen. Veranstaltungen wie diese tragen ihren Teil dazu bei. Ich möchte ausdrücklich allen Organisatoren, Vortragenden sowie Teilnehmern der heutigen Fachtagung für ihre Mitwirkung danken und wünsche konstruktive Diskussionen und neue Erkenntnisse.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Rede wurde von Mag. phil. Nader Mohamed aufgezeichnet
verschriftet von Kirsten Mische