Folgen Sie uns auf:
27/07/2024
HomeBPKHorst Seehofer über seine Unzufriedenheit mit der deutschen Integrationspolitik

Horst Seehofer über seine Unzufriedenheit mit der deutschen Integrationspolitik

Teil 1:
Nader Mohamed (Berliner Kriminalitätszeitung):Nader Mohamed, Berliner Kriminalitätszeitung. Meine Frage ist an Herrn Seehofer. Ich zitiere Sie zum Messerangriff von Würzburg. Sie haben gesagt: „Wenn ein junger Mann 6 Jahre in einem Obdachlosenheim lebt, ohne dass jemand hinschaut und sich kümmert, dann kann ich mit unserer Politik nicht zufrieden sein. Da fehlt es an Bewusstsein.“ Warum sind Sie nicht mit der Politik der Bundesregierung zufrieden und wo sehen Sie Verbesserungs—

Moderation:
Das hat jetzt keinen—Entschuldigung, keinen Corona-Bezug, oder?

BKZ:
Ja, aber das ist eine allgemeine Frage.

Moderation:
Dann ja. Aber das müssen Sie mir vorher sagen, dann würde ich das ans Ende stellen. Wir bleiben jetzt erstmal beim heutigen Thema. Und so handhaben wir das hier gewöhnlich.  

________

Teil 2:
BKZ:
Meine Frage ist an Herrn Seehofer. Warum sind Sie mit der Integrationspolitik der Bundesregierung nicht zufrieden?

Horst Seehofer (Bundesinnenminister):
Wissen Sie, Sie müssen nach so einem brutalen, schrecklichen Verbrechen wie in Würzburg, neben der Aufklärung immer auch überlegen, was können wir tun, um, äh, das für die Zukunft vielleicht zu vermeiden oder, äh, zumindest unwahrscheinlicher zu machen. Die Sache mit, äh, der islamistischen Gesinnung und, äh, der psychologischen Erkrankung muss weiter aufgeklärt werden, da kann ich jetzt nichts Neues mitteilen und auch nichts, äh, abschließend bewerten. Bei der Betrachtung der, äh äh, Biografie des Täters, ähm, komme ich zu dem Ergebnis, wenn jemand 6 Jahre lang rechtmäßig in Deutschland ist und, äh äh, mit 24 Jahren im Obdachlosenheim und, äh, erkennbar keine Maßnahme, äh äh äh, oder Bemühung zum Erfolg geführt hat, dass, äh äh, dann in diesem Falle einfach, äh äh, sicher stattgefundene Bemühungen gescheitert sind und damit auch, in einem Fall, äh, unsere Politik. Auch ich bin für Integration zuständig, neben vielen anderen.

Das muss man offen benennen und muss, äh, mit den Ländern und Kommunen, ähnlich hat sich ja übrigens der Oberbürgermeister von Würzburg, äh, geäußert, ähm, schauen, was können wir noch tun, um solche Menschen besser zu betreuen, äh, gerade, wenn sie auch krank sind, äh, und, äh, oder offenbar krank sind, so muss ich’s ja zum jetzigen Zeitpunkt formulieren und, äh, dann müssen wir die Integration als Maßnahmen, äh äh, verbessern. Ich hab ein erstes Gespräch dazu in meinem Hause geführt, bevor wir mit Ländern und, Kommunen reden, zum Beispiel, äh, muss man viel stärker unterscheiden zwischen den Herkunftsländern, die ja ganz andere Kulturen haben, mit Somalia ist das sicher etwas anderes als mit Tunesien. Ähm, wir müssen stärker auf die Altersgruppen achten. Ähm, zwischen 15 und 30 Lebensjahren ist die Integration vielleicht etwas anderes als mit 50 Lebensjahren und sofort und so weiter.

Es wäre aus meiner Sicht, äh, ja schlimm, wenn die Politik, äh, nach so einem brutalen Verbrechen, äh, den Mantel des Schweigens drüberbreitet und nicht, äh, sich nicht Gedanken macht, was können wir verbessern, und müssen wir verbessern und wir müssen in der Integrationsarbeit, äh, viel verbessern. Äh, ich sag ausgesprochen viel, weil wir analysieren ja zum Beispiel solche Dinge wie in Stuttgart, äh, wo dann, äh äh, Randale stattfindet und Fensterscheiben eingeschlagen werden. Wer hat sich da beteiligt und gibt es nicht zu viele, äh, Zuwanderer in jüngeren Jahren, äh, die entwurzelt sind, äh, die orientierungslos sind und die, äh, eine verstärkte, wenn sie einen Anspruch auf Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, äh äh äh, dass wir sie besser, äh, dass wir uns besser um sie kümmern. So. Und das halte ich für die Pflicht eines jeden Politikers.

Moderation:
Sie haben eine Nachfrage?

BKZ:
Ja. Was meinen Sie mit „sie besser schützen“? Ich habe Ihre Antwort am Ende nicht verstanden. Was wollen Sie konkret machen?

Seehofer:
Der Kampf gegen Radikalisierung, gegen Extremismus und Ähnliches hat ja immer, äh, ist eine Medaille mit 2 Seiten. Das eine ist, äh, der starke Staat, die Repression. Wir, äh, haben sehr viele Polizeibeamte eingestellt, wir haben die Sicherheitsbehörden gestärkt, wir haben die Befugnisse erweitert. All dieses, äh, gehört zum Teil der Repression, aber der andere Teil ist genauso wichtig. Nämlich, äh, der Teil der Prävention und der Integration. Äh, und wenn Sie Prävention und Integration intensiv gestalten, können Sie auch, ähm äh, extremistischen Bewegu— äh äh äh äh äh, Entwicklungen und einfach auch Integration in die Gesellschaft, äh, verstärken. Und damit, äh, solche schlimmen Dinge zurückdrängen. Ich sag ausdrücklich, äh, kein Politiker kann versprechen sie völlig zu vermeiden. Aber wir sollten unsere Anstrengungen noch nochmal erhöhen. So will ich mich klar verstanden wissen. Ich bin sehr froh. Ich hab nicht, mit ihm nicht abgesprochen, dass äh, ein Kommunalpolitiker, nämlich der Oberbürgermeister der Stadt Würzburg, zum ähnlichen Ergebnis kommt.

In dessen Stadtgesellschaft lebte der junge Mann ja. Und äh, deshalb müssen wir dem Ding nachgehen und wir werden das auch tun, trotz Wahlkampf und so weiter. Das, äh, ist bitter notwendig. Wir haben noch zu viele, gerade jüngere Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland, äh, die zugewandert sind, die ein Aufenthaltsrecht haben und, äh, die aus meiner Sicht noch nicht hinreichend integriert sind. Das ist schwer. Muss mir niemand erzählen. In der Sprache, in der Vorbildung, wenn Menschen kommen, die nicht von rechts nach—von links nach rechts schreiben, sondern rechts nach links, das ist alles nicht so einfach, wie man das, äh, oberflächlich oft diskutiert. Aber wir müssen uns dieser Thematik stärker stellen.

Interview geführt von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Annabell Cassel

Teil 1: 42:26 / Teil 2: 01:16:53

No comments

leave a comment