Berlins regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und 600 Gäste haben am Samstag, den 14.01.2023 im Hotel Grand Hyatt Berlin das 150-jährige Jubiläum des Presseballs Berlin gefeiert. Der Berlin Presseball wurde erstmals am 9. März 1872 als Charity-Veranstaltung der Prominenten aus Politik und Kultur veranstaltet. Das Vorbild für den Presseball Berlin war der Concordia Ball, der seit 19. Januar 1863 in Wien stattfindet.
Die Rede der regierenden Bürgermeisterin Berlin Franziska Giffey:
Meine Damen und Herren, keine Sorge, das wird keine Wahlkampfrede, auch wenn sich das vielleicht in der Anmoderation so angefühlt hat, sondern es ist einfach eine Rede Ihrer regierenden Bürgermeisterin, die sich freut, dass dieser Abend wieder stattfinden kann nach langer Pandemiepause, nach auch schwierigen Zeiten gerade für die Kultur- und Veranstaltungsbranche. Und ich möchte zuallererst Mario Koss und seinem ganzen Team danken für die Vorbereitung und Organisation dieses schönen Abends. Herzlichen Dank! (Beifall)
Ehrengäste: Lisa Paus, ukrainischer Botschafter und Lech Wałęsa
Und ich freue mich sehr, dass wir heute auch ganz besondere Gäste hier haben, nicht nur die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist da, Lisa Paus, (Applaus) _ sondern auch … – ja, da können wir nochmal applaudieren – , sondern wir haben den ukrainischen Botschafter da, den haben wir gerade gehört, und wir freuen uns natürlich, dass Lech Wałęsa da ist. (…) Und wir werden gleich noch viele Gespräche darüber führen, wie er die Zeit, in der er für die Freiheit und die Demokratiebewegung gekämpft hat, erlebt hat, und wie er heute unsere Welt sieht, unsere Stadt sieht. Das Jahr ist noch jung – 14 Tage. Und ich darf Ihnen allen zunächst einmal noch für dieses noch junge Jahr ein gutes, ein glückliches, ein gesundes, ein erfolgreiches neues Jahr wünschen, und hoffentlich auch eines, das von dem geprägt ist, was wir viele, viele Jahre für selbstverständlich erachtet haben: nämlich Frieden in Europa. Ich habe mir heute nochmal den Film angesehen vom letzten Presseball, der „Liebesgrüße aus Europa“ zum Motto hatte. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch erinnern können. War jemand von Ihnen beim letzten Presseball dabei? Als es um die „Liebesgrüße aus Europa“ ging? Ich sehe doch einige. Und es sind einige von Ihnen auch interviewt worden, was Sie mit Europa verbinden. Und viele haben gesagt: Frieden, dass man sich bewegen kann, dass man frei leben kann, reisen kann. Wenn wir heute diese gleichen Fragen beantworten müssten, würden die doch ganz anders ausfallen. Ich blicke da auf die Entwicklung des letzten Jahres und das hat uns alle sehr geprägt, beschäftigt, dass wir eben in schwierigen Zeiten leben, dass wir einen Krieg in Europa haben, der furchtbar ist und der viele, viele Menschen ins Unheil bringt und das bedeutet, dass wir alle miteinander auch natürlich mit den Wünschen für ein friedliches neues Jahr ganz besonders in die Zukunft blicken.
Berlins Hilfe an die ukrainischen Schutzsuchende:
Aber eines will ich auch noch mal an dieser Stelle sagen: Berlin hat im letzten Jahr sich wirklich als die Stadt der offenen Arme, die Stadt der offenen Herzen, gezeigt. Es sind mittlerweile über 360 000 Menschen aus der Ukraine hier in unserer Stadt angekommen. Und es sind viele, viele erstversorgt worden, haben Hilfe bekommen. Es sind nicht alle hier geblieben, es sind so um 100 000 geblieben, aber die Hilfe, die unsere Stadt geleistet hat, wie viele auch gespendet und unterstützt haben, das war großartig. Und ich bin mir sicher, dass auch heute hier im Raum Menschen sind, die im letzten Jahr mitgeholfen haben, deshalb: ein sehr, sehr großes Dankeschön, an Sie alle, die jetzt hier sind! (Applaus)
Die Bedeutung der Presse für eine freiheitliche Demokratie:
Und wir haben heute hier den Presseball, an dem es natürlich immer auch um die Zusammenarbeit geht von Politik und Presse, darum, wie wir eintreten für eine freiheitliche Demokratie. Und eine freiheitliche Demokratie lebt davon, dass es eine freie Presse gibt, dass Menschen kritisch berichten, kritisch auch begleiten, was wir in der Politik tun, und deshab an all diejenigen, die von der Berliner Presse und auch von darüber hinaus heute hier sind: Wir arbeiten gut zusammen, natürlich jeder in seiner Rolle, das ist ganz klar, aber ich glaube, in diesen Zeiten, in denen soviel Information jeden Tag auf uns alle einprasselt, ist es wichtig, einen guten Kompass zu haben, gute Berichterstattung und auch seriöse Informationen. Gerade in diesen Zeiten ist das wichtig. Also vielen Dank an alle Pressevertreterinnen und –vertreter, die heute auch hier sind. (Applaus) (…)
Berlins Wirtschaft vor den Krisen:
Und Meine Damen und Herren, das Jahr, das letzte, war aber nicht hoffnungslos, ich möchte das nochmal sagen. Wir haben im letzten Jahr trotz aller Krise viel geschafft in Berlin. Wir hatten ein Wirtschaftswachstum, das deutlich über dem Bundesdurchschnitt lag, 2,5 % Wachstum, d.h. viele, viele Unternehmen, die auch wieder durchgestartet sind, die Hotels und viele andere, die wieder voll sind, die besucht werden, wo Menschen in unsere Stadt kommen. Berlin ist gewachsen, über den Bundesdurchschnitt hinaus, wir haben Millionen von Gästen hier willkommen geheißen und wir haben ganz klar auch gezeigt mit den großen Messen, mit den Veranstaltungen in unserer Stadt, dass Berlin international nichts von seiner Anziehungskraft verloren hat.
Krawallen in der Silvesternacht in Berlin:
Und das ist gut so, daran wollen wir weiter arbeiten und dennoch nicht verschweigen, wo noch offene Baustellen sind. Das wissen wir ja auch, wir haben leider die offenen Baustellen an vielen Stellen gesehen, ganz besonders auch in der Silvesternacht. Und lassen Sie mich sagen, das sind Ereignisse, die sind nicht gut. Die sind nicht gut für Berlin. Und ich will an dieser Stelle ganz klar sagen: Die, die das gemacht haben, die unsere Einsatzkräfte, Rettungskräfte, unsere Feuerwehrleute angegriffen haben, die müssen Strafe bekommen. Die werden bestraft werden. Und wir sind auch intensiv mit Polizei und Staatsanwaltschaft daran, diese Sachen nicht laufen zu lassen, sondern uns darum zu kümmern, auch um die dringenden Fragen, nämlich die Fragen, wie wir eigentlich mit unseren Jugendlichen umgehen, wie wir mehr in Präventionsarbeit, Eltern- und Sozialarbeit investieren können. Ausgestreckte Hand einerseits, andererseits auch Stoppsignal, das ist wichtig. (…)
Berlin ist und bleibt eine der tollsten Städte der Welt (Wirtschaft, Arbeit, Entwicklung, Innovationen und Fortschritt)
Aber, meine Damen und Herren, heute ist ein Abend, an dem Sie hoffentlich viel, viel Freude haben, an dem Sie sich amüsieren und an dem Sie mit Menschen zusammenkommen, die hier in Berlin unsere Stadt gestalten und dafür sorgen, dass unsere Stadt sich gut entwickelt. Und viele Berlin–Macherinnen und –Macher, viele Möglich-Macher sind heute Abend da, die unsere Stadt gestalten und nach vorne bringen. Und gerade an diejenigen, die hier Unternehmer sind, in den Unternehmen drin sind, die dafür sorgen, dass Arbeit, Entwicklung, Innovationen und Fortschritt entstehen können, an diejenigen, die Kultur in der Stadt betreiben, die dafür sorgen, dass soziale Projekte auch gelingen, (…)an den unterschiedlichsten Stellen. An Sie alle will ich ein Danke sagen. Denn es ist wichtig, wir haben einen unfassbaren, vielfältigen Schatz von vielen Menschen in unserer Stadt, die Berlin jeden Tag aufs Neue besser machen. Und auch wenn es viele gibt, die sagen, hier und da sind Dinge noch nicht in Ordnung – wir müssen uns darum kümmern, keine Frage – , aber wir müssen auch sagen: Berlin ist und bleibt eine der tollsten Städte der Welt. Davon bin ich zumindest überzeugt. (Applaus)
Lob der Arbeit des Gastgebers Mario Koss:
Und, meine Damen und Herren, lieber Mario Koss, ich gratuliere zu der langjährigen Arbeit, die hier geleistet wurde. 150 Jahre Tradition, wir haben es schon gehört, das ist viel Engagement, es ist viel Durchhaltevermögen. Und ich will mich bedanken, dass Sie am Ball geblieben sind – im wahrsten Sinne des Wortes – und dieses gesellschaftliche Ereignis, dieses Zeichen auch von Achtung und Stärkung der Meinungs- und der Pressefreiheit hier wieder veranstaltet haben. (…)
Deutsch-französische Freundschaft und die Freundschaft zwischen Paris und Berlin
Ich möchte begrüßen auch den Chefredakteur von Charlie Hebdo. Er ist jemand, der für die Pressefreiheit steht, für die Stadt der Freiheit, herzlich willkommen in Berlin! Wir begrüßen Sie ganz ausdrücklich und die deutsch-französische Freundschaft und die Freundschaft zwischen Paris und Berlin, unsere Städtepartnerschaft. Die ist eine, die sehr, sehr bedeutsam für unsere Stadt ist. Lassen Sie uns gemeinsam für die Demokratie, für die Freiheit, eintreten! Gerade Charlie Hebdo ist für uns ein Zeichen für den Kampf um Freiheit und freie Meinungsäußerung, die Arbeit und Anerkennung der Journalistinnen und Journalisten weltweit. Merci beaucoup!
Polens Rolle beim der Fall der Berliner Mauer
Und, meine Damen und Herren, wenn wir hier gemeinsam am Potsdamer Platz den Presseball feiern, dann denken Sie mal 30, 33 Jahre zurück, wie es hier aussah, in dieser Zeit, 1988, ’89, ’90, die Jahre danach. Es wäre vor 30, vor 40 Jahren undenkbar gewesen, dass wir hier einen Presseball Berlin feiern. Es ist ein großes Glück, der Glücksfall des letzten Jahrhunderts, dass diese deutsche Wiedervereinigung, dass der Fall der Berliner Mauer gelungen ist. Das hat auch etwas damit zu tun, dass es vor mehr als 30 Jahren eine polnische Demokratiebewegung gab, die vor dem Fall des eisernen Vorhangs passiert ist, die unser Leben maßgeblich mitgeprägt hat. Und, lieber Lech Wałęsa, nochmals herzlich willkommen, es ist mir eine große Ehre, dass Sie heute hier sind, dass ich Sie auch noch mal persönlich kennen lernen darf. Das, was Sie geleistet haben für die Demokratiebewegung in Europa, das ist auch das persönliche Erbe, dem wir uns heute verpflichtet fühlen. Deshalb ist es mir eine große Ehre, Ihnen heute hier den Ehrenpreis für europäische Verdienste übergeben zu dürfen als Mitbegründer der polnischen Gewerkschaft Solidarność, deren Vorsitzender Sie waren. Von 1980 bis 1990 haben Sie die polnische Opposition in Polen geprägt. Sie haben 1983 den Friedensnobelpreis dafür erhalten. Sie haben 1980 beim Streik in der Danziger Werft ein Vorbild abgegeben für viele Arbeiterinnen und Arbeiter in polnischen Städten und für Ihren Einsatz für Demokratie und Menschenrechte in jener Zeit haben Sie einen hohen persönlichen Preis auch gezahlt. Sie sind mehrfach inhaftiert worden wegen Ihres Engagements. Die politischen Veränderungen, die es in Polen gegeben hat in den 80erjahren, die mit zur friedlichen Revolution in der DDR, zum Fall der Mauer, beigetragen haben, da haben Sie einen ganz wesentlichen Anteil daran. Und Berlin ist Ihnen, lieber Herr Wałęsa, sehr dankbar und fühlt sich mit Ihnen und auch dem, was Sie uns für heute mitgegeben haben, verbunden. Und deshalb (Applaus) haben Sie auch 2009 die Ernst-Reuter-Plakette als Dank und Anerkennung verliehen bekommen hier in Berlin. Aber es ist wichtig, dass wir uns erinnern an die Arbeit, die Sie geleistet haben, an den Kampf, in den Sie eingetreten sind, und wir wünschen all denen, die heute für Demokratie und Freiheit kämpfen, so wie Sie es damals getan haben, an anderer Stelle in Europa, in der Ukraine, in Weißrussland und auch im Iran, dort, wo Menschen heute für ihre Menschenrechte und Demokratie kämpfen, wir wünschen Kraft und Mut dafür, wir unterstützen das hier auch in der freien Stadt Berlin und wir danken Ihnen für Ihr Engagement. Und deshalb erhalten Sie auch heute diese Auszeichnung. In Anerkennung für Ihr Lebenswerk darf ich Ihnen den Ehrenpreis für europäische Verständigung überreichen. Mario Koss hat da schon etwas vorbereitet und ich bitte Herrn Lech Wałęsa und Mario Koss jetzt auch zu mir auf die Bühne.
Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Abend, alles, alles Gute und ein gutes neues Jahr! (Applaus)
Aufgezeichnet von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Kirsten Mische