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25/11/2024
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Buchvorstellung: Fasbender „Wladimir W. Putin – Eine politische Biographie“

Thomas Fasbender, deutscher Industriekaufmann, Philosoph, Journalist, Publizist und Unternehmer.

Ewald König: Der Österreichische Journalist und Träger des Papst-Johannes-XXIII.-Preises und des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich

Fasbender:

Meine Damen und Herren, es freut mich sehr, dass so viele gekommen sind. Das deutet auf ein bestimmtes Interesse hin, ich hoffe, mehr an dem Objekt meiner Neugier als an mir selbst. Es stimmt nicht ganz, was Herr König gesagt hat, dass es keine Biographie gibt. Es gibt seit.. also diese Biographie, meine, ist seit 22 Jahren die erste eines deutschsprachigen Autors. Der Alexander Rahr, der Name wird Ihnen was sagen, Russlandexperte, hat zwar im Jahr 2000 schon eine Biographie – sehr lesbar – damals eben über den jungen Präsidenten geschrieben unter dem Namen „Der Deutsche im Kreml“, auch ein interessanter Name, gar nicht so daneben. Seitdem gibt es also aus deutschsprachiger Feder keine.

Es gibt – was derzeit vorhanden ist – die Biographie von Steven L. Myers aus einem US-Amerikaner, aus dem Jahr 2015 „The New Tsar“, die auch im Deutschen als „Der neue Zar“ übersetzt 2016 herausgekommen ist, noch etwas dicker als meine paar Seiten, aber natürlich erst einmal nur bis 2015 und auch aus einer naturgegeben US-amerikanischen Perspektive heraus, dennoch ein sehr gut lesbares Werk.

Darüber hinaus gibt es natürlich in allen Sprachen, nicht zuletzt in deutscher, jede Menge Monographien über Putin als Person, über seine Politik, über bestimmte Aspekte seiner Regierungszeit, aber was es nicht gibt, ist eben eine Biographie, die wirklich im klassischen Rahmen wie meine beginnt mit dem Großvater, der 1923 Lenins Leibkoch in Gorkij war, das Sanatorium im Süden von Moskau, und geht dann über die Eltern, einfache Leute im zerschossenen Leningrad der Nachkriegszeit hin zu diesem sehr lange sehr obskuren KGB-Offizier, der nach zehn Ausbildungsjahren 1985 in die DDR geschickt wurde – weiß Gott kein Prestigeposten – nach Dresden, der bis 1990 in dieser Organisation, dem KGB, geblieben ist und dann in den 90erjahren einen von sehr viel Geheimnissen und Rätseln begleiteten Aufstieg durchlebt hat, zu dem es – also zu diesem Aufstieg – zu dem es also jede Menge Theorien gibt. Es ist im Prinzip … will mal kurz sagen, meine Biographie als solche…

Lassen Sie mich mal sagen, wie ich darauf gekommen bin.. Das Ganze entstammt einem Gespräch oder wurde initiiert in einem Gespräch kurz vor Corona, Ende 2019, Spätherbst 2019, wo wir im Prinzip … ich weiß gar nicht mehr, wer das damals war, aber redeten eben über die literarische Abdeckung des Themas „Putin“ und da kamen wir darauf, es gibt ja gar keine oder seit langem keine Biographie. Damals ist es entstanden und dann ist es auch für mich … also mein privates Corona-Produkt. Ich gehöre also wirklich zu den Corona-Gewinnern, in dem Sinne, als dass Corona mir enorm viel Zeit geschenkt hat, dieses Buch zu machen.

Ich hab’ dann auch sehr große Sorge gehabt, dass das Buch am Ende wegen einer Corona-Infektion leidet, deswegen gehöre ich also zu den wenigen Leuten, die auch viermal geimpft sind. Ich hab’ mich im Frühjahr zweimal mit Sputnik in Russland impfen lassen und dann noch zweimal mit Moderna nachher hier im Herbst.

Es ist also mein persönliches… es wird auch mein Leben lang meine persönliche Corona-Erinnerung bleiben. Das Buch hat eigentlich drei Felder, Ansätze. Also das erste … die erste Hälfte …  etwas weniger als die erste Hälfte beschäftigt sich wirklich mit der Zeit von Putins Kindheit, Jugend.. also vergessen wir mal die Großeltern- /Elterngeneration, aber Kindheit, Jugend und der Eintritt in den KGB, für den Putin.. wo Putin sich –  gerade 16 geworden – freiwillig meldet, in Leningrad, das hatte es ungefähr noch nie gegeben, dass jemand sich als gerade 16-Jähriger in das sogenannte „Große Haus“ – das ist das Leningrader KGB, die KGB-Hauptverwaltung –  in das Große Haus begibt und dort beim Pförtner sagt, er möchte hier gerne arbeiten, gerade 16 geworden. Dann erst nach dem Studium nimmt er dann diese Arbeit auf.

Da ist dann einmal die Frage: Welche Rolle spielt der KGB bei den verschiedenen Stationen? Das beginnt bei der Universität: Er kommt, obwohl er ein mittelmäßiger Schüler ist, auf die sehr prestigeträchtige Leningrader staatliche Universität, in die juristische Fakultät, das war einer der … das war der Kernratschlag, den der KGB-Offizier ihm Ende der 60er gegeben hat: Er muss also entweder den Militärdienst machen oder was Anständiges studieren. Er hat ihn dann gefragt: „Was ist denn was Anständiges?“ „Das ist Jura!“ Leningrader staatliche Universität, 40 Bewerber auf einen Studienplatz und Putins Eltern – auch der soziale Hintergrund ist wichtig bei dieser Biographie – , einfache Leute.

Man möchte bitte nicht unterschätzen, welche Rolle die soziale Herkunft auch in der Sowjetunion gespielt hat –  also von wegen klassenloser Gesellschaft.  Und er schafft das, er wird aufgenommen und natürlich ranken sich seitdem die Fragen darum: Hat der KGB im Hintergrund geholfen? Weil gemerkt hat man ihn sich, den Namen, ja schon. Man hat sich dann auch im Laufe des Studiums wieder an ihn gewendet. Rätsel und ungelöste Fragen, die ich auch nicht beantworten kann, begleiten diese Laufbahn, den ganzen Werdegang dieses Mannes bis in die heutige Zeit. Ich kann Ihnen vielleicht dazu noch mal hinterher ein, zwei Stellen daraus vorlesen.

Ich versuche alle diese Fragen zu benennen und aufs Papier zu bringen und ich schrecke immer dann vor einer Antwort zurück, wenn ich nicht hundertprozentig sicher bin, dass ich sie geben kann. In den meisten Fällen ist das so, wenn ich nicht hundertprozentig sicher bin, welches die richtige Antwort ist. Dann geht es weiter, dieser hochinteressante.. diese hochinteressante Karriere, die ihn dann zuerst 1996 nach Moskau bringt, nach vier Jahren.. nein, nach fünf, sechs Jahren in St. Petersburg als rechte Hand des damaligen Bürgermeisters Anatoli Sobtschak,’96 dessen Verlust bei der Wahl Putin wieder in.. vor Stunde Null seiner Karriere wieder oder auf „back to square one“, er dann 1996 nicht mehr weiter weiß, schafft es dann mit Glück und ein bisschen Nachhilfe von anderen nach Moskau und legt dann in Moskau von 1996 bis 2000 eine wunderbare Karriere gegenüber den Stufen der Kreml-Verwaltung hin, nicht die Präsidialverwaltung, wo er für das Auslandsvermögen zuständig ist, sagen wir mal, das ist ’ne Abteilungsleiterposition in der Kreml-Verwaltung. Dann ein Jahr später kommt er in die Präsidialverwaltung als stellvertretender Staatschef, was in Russland nun auch letzten Endes nur eine Abteilungsleiterposition ist, Stellvertreter gibt es normalerweise wie Sand am Meer, wichtig ist der Erste Stellvertreter, das ist schon bei den Ministern so. Erster Stellvertreter des Staatschefs, also des Chefs der Präsidialverwaltung, wird er 1998.

Drei Monate später wird er schon Chef des Geheimdienstes, ja.. im Sommer 1998, und dann ein Jahr später Premierminister und noch einmal vier Monate später amtierender Präsident und noch einmal drei Monate später gewählter Präsident – also eine schwindelerregende Karriere aus dem Nichts. Ich benutze zwei, dreimal den Begriff „vom Kellner zum Koch“ und man muss das auch immer… man muss das auch in einem gewissen Moment an Ironie sehen, weil die Person ist so unauffällig wie begabt und fähig, ja?

Das fällt einem immer in den 90erjahren auf, dass wirklich niemand gesagt hat, auch von Zeitzeugen, auch von deutschen Zeitzeugen… es gibt ja nicht wenige in den damaligen Jahren, es gab intensiven Austausch Anfang der 90er zwischen Hamburg und St. Petersburg, als er stellvertretender Bürgermeister war. Es gibt nicht wenige, die ihn damals kennengelernt haben und eigentlich weder unter Russen noch unter Deutschen hat er den Eindruck erweckt, aus ihm wird in der Zukunft etwas Großes werden und dann ist es doch so geworden, dass er 22 Jahre Präsident dieses Landes ist. Jetzt kann man von ihm halten.. oder von dem Land halten, was man will, aber 22 Jahre ist ’ne Hausnummer. Damit bin ich auch schon beim zweiten Thema, da geht es dann um die Bewertung der Präsidentschaften. Es sind ja insgesamt vier Präsidentschaften, wobei man sagen muss .. also die eine, die vierte, läuft noch bis 2024.. wobei man sagen muss, zum Teil sind die ersten beiden, dann gab es dieses Interregnum, ja, also den Präsident Medwedew. Und dann ist er 2012 wiedergewählt worden und seine Amtszeit läuft.

Er ist genauso wie die allermeisten Russen seiner Zeit erfüllt, jener Zeit…. Er kommt also nicht … es gibt diese Stimmen, dass er immer der KGB-Rächer gewesen ist und nie etwas anderes vorhatte als so viel zu restituieren der alten Sowjetmacht, der alten KGB-Macht, des alten Kommunismus wie möglich, aber ich bin nicht dieser Ansicht, aus anderen Gründen.

Aber was geschieht? Eben nach 2000 kommt es zu einem Umbruch, den wir jetzt inzwischen auch im Westen bemerken, den wir lange Zeit nicht bemerkt haben. Und im Jahr 2010… um das Jahr 2010 hat erstmals die Wirtschaftsleistung … die globale Wirtschaftsleistung des sogenannten Westens –  also wenn wir mal Europa und alle europäischstämmig besiedelten Länder zusammennehmen – die Wirtschaftsleistung des Westens ist erstmals seit erste Hälfte des 19. Jahrhunderts unter 50 % der Weltwirtschaftsleistung gefallen.

Dieser sogenannte Westen trägt nur noch mit rund 10 % zur Weltbevölkerung bei, eine sehr stark schwindende Zahl, das werden nur noch so ungefähr 7 % sein im Jahr 2050. Wir haben dieses auch im Jahr 2000 eigentlich noch unabsehbare Comeback Chinas, 2013 die Ausrufung der Neuen Seidenstraße und dann 2014 dieses erste Aufbäumen und für den Westen da sehr erschütternde… also für uns sehr.. ja, mehr als erstaunliche und schwer verdauliche Aufbäumen Russlands mit der Annektion der Krim in Reaktion auf die politischen Veränderungen in der Ukraine und seitdem eine wachsende Spannung, die also zu unserer heutigen Situation der dazu geführt haben. Ich sehe also hier ein Politikerleben, dass vor allem durch die Länge seiner Herrschaft ja interessant ist.

Diese Herrschaft fällt in die Zeit dieses beginnenden und sich vollziehenden Umbruchs hinein, endemischen? und globalen Umbruchs infolge der Globalisierung, infolge natürlich auch demographischer Veränderungen auf der ganzen Welt  – aus meiner Sicht hier immer noch nicht angemessen wahrgenommen bei uns. Wir fühlen uns immer noch in einer Sicherheit, die eigentlich nicht mehr legitim ist.

Diese Gleichzeitigkeit, und das ist also, glaub’ ich, der letzten Endes entscheidende und für die Gegenwart und Zukunft dann auch wichtigste Teil meines Buches, wenn man mal von dem Referieren von Vergangenheit absieht… da spring ich an dem Punkt gleich hinein… genau…: „Es gibt die Position, wonach Russland nach dem Ende der Ära Putin in den europäischen Mutterschoß zurückkehren wird. Der Autor – also das bin ich – der Autor kann daran nicht glauben. Unter Putins Ägide vollendet sich der 300-jährige russische Connection to Europe“. So wie Zar Peter I sein Land um 1700 in den Orbit des vielfach überlegenen Kontinents gezwungen hat, so verlässt Russland diesen Orbit auch wieder, seit Europa an relativer Masse und Anziehungskraft verliert. Vor diesem Hintergrund hat Putin die Krim annektiert, Russlands Krallen gezeigt und die Entfremdung vom Westen betrieben, genauso wie der Westen seine Entfremdung von Russland betreibt.

In diesem Konflikt gibt es weder Henne, noch Ei. Er ist schlichtweg eine Reaktion auf die Veränderung der globalen Kräfteverhältnisse im frühen 21. Jahrhundert. Im Zentrum steht der Wiederaufstieg Chinas zur Weltmacht. 250 Jahre galt, dass technischer Fortschritt und Wirtschaftswachstum nur in einer liberalen Gesellschaft nach europäischem Muster möglich sind. Mit China tritt ein weltanschaulich kulturell rivalisierendes Modell ins Scheinwerferlicht, eine autoritäre Ein-Parteien-Gesellschaft, der es gelingt, private Initiative und staatliche Koordination zu ungeahnter Dynamik zu kombinieren. Damit verliert die europäische Aufklärung ihr Fortschrittsmonopol, Bedeutungshoheit über den historischen Prozess. Fukuyamas Ende der Geschichte verweht wie Asche im Wind. Nach einer kurzen Phase vermeintlicher Gewissheit ist die Weltgeschichte wieder ergebnisoffen. Noch hält der Westen, hält Westeuropa an seiner Illusion fest.

Die weitere Putin-Herrschaft und wahrscheinlich die gesamten kommenden Jahrzehnte stehen im Zeichen dieser Konfrontation. Solange Putin einer militärischen Auseinandersetzung mit der NATO oder einzelnen ihrer Mitglieder ausweichen kann, stabilisiert der Konflikt seine Macht und seinen Staat. Die geopolitische Pattsituation, die beide großen Rivalen von einem Krieg abhält – China ist noch nicht stark genug, die USA sind es nicht mehr – könnte eine Nachfolgeregelung in Putins Sinn sogar erleichtern. Das Kalkül ist offensichtlich: Während seiner ersten Präsidentschaften stand er unter Rechtfertigungsdruck.

Russland war stolz darauf, dabei zu sein: G8-Mitgliedschaft, Teilhabe an der Entscheidungsfindung der NATO und der EU. Doch es waren auch Zeiten der Zähmung, kein Jahr, in dem Russland nicht gemaßregelt wurde. Ob es der Umgang mit den Medien war oder mit den Oligarchen, mit den Tschetschenen, anderen Minderheiten oder der Opposition, die fragwürdigen Wahlen, mangelnde Rechtsstaatlichkeit und, last not least, die Korruption –  der westlichen politischen Klasse haben die Russen es nie recht gemacht.“

Jetzt komme ich auf dieses Thema noch, kurz, Verhältnis zur Ukraine.

„Es ist angeklungen, gutes Verhältnis zur Ukraine, oder eigentlich der Traum von der ostslawischen Einheit ist die Achillesferse, der emotionale Schwachpunkt des kalten Autokraten Putin. Sein historisches Trauma ist die Spaltung der Großrussen, Kleinrussen, Neurussen und Weißrussen in souveräne Staaten, die zum Spielball geopolitischer Interessen werden. Wenn er den Untergang der Sowjetunion betrauert, geht es primär um die ostslawische Dimension. Das von Stalin annektierte Baltikum ist insofern wie die imperialen Kolonien in Zentralasien, den Nordkaukasus regiert er als Suzerän, empathiefrei, „irgendeiner muss den Job machen“. Im osteuropäischen Dazwischen kollidieren Putin und der Westen, der 2014 in der Ukraine einen wichtigen Etappensieg erringt. Wobei das westliche Interesse nichts weniger als einheitlich ist.

Den einen geht es um Demokratisierung, den anderen um Eindämmung, wieder andere hängen alten, halbvergessenen Zeiten nach. Im Juli 2020 haben Litauen, Polen und die Ukraine im polnischen Lublin das sogenannte „Lublindreieck“ ins Leben gerufen. Eben dort entstand 1569 die polnisch-litauische Rzeczpospolita, eine Großmacht der frühen europäischen Neuzeit von der Ostsee bis zur Schwarzmeersteppe.Angestrebt wird die Umwandlung des „Lublindreiecks“ in ein „Lublinquadrat“, die drei genannnten Staaten plus Belarus.“

So zum Schluss… das ist ja kein Roman, da kann man am Ende … verrät man nichts. Jetzt les’ ich den allerletzten Absatz vor:

„Im 22. Jahr seiner Herrschaft“ – wir sind ja schon im 22. –„ im 22. Jahr seiner Herrschaft begreift der Putin-Staat sich als Wagenburg gegen den Angriff auf das System und seine Eliten, gegen die politisch-kulturellen Hegemonieansprüche des Westens, gegen die zeitgenössische Dekadenz. Doch das sind die falschen Fronten: Die zeitgenössische Dekadenz wird in Russland verdorren, die Auswüchse der Identitätspolitik und des Individualismus. Die ausländischen Agenten sind auch keine Werkzeuge westlicher Hegemonie. Was die suchen, hat der Westen gar nicht mehr im Angebot. Wertvorstellungen, in denen Gemeinschaft, Gleichheit, Gerechtigkeit, Respekt und Anstand sich verzwirnen. Unter dem Firnis des Raubtierkapitalismus lebt die Sehnsucht nach den kommunistischen Idealen,“ – jetzt kommt ein Zitat, das spielt vorher im Buch eine Rolle – „die bekanntermaßen den christlichen Geboten gleichen: nicht töten, nicht stehlen, nicht lügen usw. Die Zukunft Russlands entscheidet sich nicht in der Konfrontation mit dem Westen. Die Angst der alten Männer im Kreml gilt einem Scheinriesen. Ob unter Putin oder nach ihm – Russland geht seinen eigenen Weg. Der wird nicht eurasisch, nicht europäisch, nicht asiatisch sein. Im Norden des ungeheuren Kontinents, dessen Osten im Aufstieg begriffen ist, während der Westen im Abendlicht glänzt, ist vielleicht Russland das neue Dazwischen, wir wissen es nur noch nicht.“

Also das als Einstimmung auf den .. zumindest den offenen Ausgang, ja? Ich könnte jetzt noch jede Menge vorlesen über Putins Leben, Werdegang und alles,  aber ich hoffe, dass einige von Ihnen es sich mitnehmen, es sich zu Gemüte führen und würd’ mich freuen, wenn es Ihnen gefällt.

König: Das was Sie ganz am Schluss jetzt da zitiert haben, könnte die Ausgangsbasis sein für ein neues Buch.

Fasbender: Es wird sicher ein neues Buch kommen.

König: Herr Fasbender, wollen wir gleich in die Mitte der Dinge springen?

Fasbender: Das ist jetzt nicht nur Putis Sache, das betrifft die gesamte politische Klasse. In Russland hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die sogenannte europäische Friedensordnung.. Welt- und Friedensordnung, die seit den 90erjahren … in den 90erjahren gewachsen ist –  gerade auch mit Blick auf die Ukraine, die Charta von Paris und auch eine von Budapest –  dass diese Friedensordnung … dass diese Ordnung eigentlich dem Ziel dient – wie gesagt, ich referiere jetzt eine russische Sichtweise, ja? – eigentlich und nicht zuletzt dem Ziel dient, einen möglichst großen Teil des nichtrussischen Europas unter westlichen.. vor allem unter USA-Einfluss zu bekommen – russische Sichtweise, ja? Es ist nicht meine Ansicht, es ist nicht meine Bewertung, aber es ist die Sichtweise, die sich durchgesetzt hat. Plus – jetzt kommt etwas hinzu – die russische Außenpolitik hat in ihrer Geschichte immer Wert darauf gelegt, dass niemals in Europa eine einzige dominierende Macht geherrscht hat. Es hat zwei Fälle gegeben, in denen das anders war, als Napoleon Russland .. nein, als Napoleon Europa beherrscht hat. Das hat 1812 mit der Invasion geendet. Und als 1940 Hitler praktisch das gesamte Europa… Deutschland das gesamte Europa beherrscht hat. Das endete in der Invasion 1941. Uns fällt es schwer, ja, wenn wir als Westler oder als Mitglieder der NATO.. uns vorzustellen, dass man von außen auch die Hegemonie der USA oder der westlichen Kultur als eine Bedrohung wahrnehmen kann. Wenn mir jemand sagt: „Du kannst das doch nicht vergleichen!“ oder „Die Russen können das doch nicht vergleichen, 1812, 1941 und 2021!“ – da fällt mir immer ein.. ein Argument ein, das mir in Russland vor vielen Jahren mal jemand gesagt hat, als das System – vor vielen Jahren – noch nicht virulent war, dieser Konflikt, da hat er gesagt: „Wenn ein Russe in Berlin im Juni 1931 gesagt hätte „In zehn Jahren werdet ihr uns mit 156 Divisionen angreifen“ , dann hätte jeder Deutsche ehrlichsten Herzens, sogar jeder NSDAP den 1931 für verrückt erklärt. Und das ist jetzt kein logisches … das ist jetzt keine Legitimation einer bestimmten Handlung – ich legitimiere nicht – aber ich versuche zu erklären, dass Russland einfach die Ausbreitung der NATO und zwar weder die Ukraine in die NATO – danach sieht’s ja sowieso nicht aus – , noch die NATO in die Ukraine – also darauf richtet sich ja vor allem der gegenwärtige Zorn  –  beides wird Russland nicht akzeptieren. Ob wir das wollen oder nicht, ob es gegen Ordnung oder Regeln oder Verträge verstößt, beides wird es nicht akzeptieren. Die Europäer ..  der Westen kann wiederum aus seiner eigenen Logik heraus weder eine Finalisierung? der Ukraine, noch den Übergang der Ukraine in eine russische Einflusszone … also, kann keine Beschneidung der ukrainischen Souveränität zulassen. Aus dieser Kollision .. Ich hab’ das hier im November geschrieben, ja? Warten Sie mal!

„Diese Lublin-Initiative“ – von der ich gesprochen habe – „der Ostmitteleuropäer bezeugt jedenfalls deren neues Selbstvertrauen und die Befürchtung, dass auf die USA und Westeuropa letztlich kein Verlass sein wird. Die Urangst, als Verhandlungsmasse der Nachbarn in Ost und West zu enden“ – da geht’s jetzt um Polen und Baltikum natürlich – „konkurriert mit der Erinnerung an eigene Großmachtzeiten. In der Summe entsteht ein explosives Gemisch. Die „Bloodlands“ , wie Timothy Snyder den Raum nennt, sind noch lange nicht befriedet. Und auch hier in Ostmittel- und Osteuropa birgt die tragische Lust am Rechthaben und Rechtbehalten auch den Keim eines neuen europäischen Kriegs.“

Also ich halte den Krieg für eine reale Option und ich gehe davon aus, dass die Russen das auch tun. Ich gehe davon aus, dass unsere Militärstrategen das ebenfalls tun. Unsere Politiker mögen das Wort noch nicht in den Mund nehmen, aber ich sehe im Moment, wenn sich nicht eine Seite, nein, wenn sich nicht beide Seiten massiv bewegen – und danach sieht es nach der letzten Woche nicht aus – keine Chance. Und die Russen haben ja selber gesagt: „Dialog brauchen wir nicht mehr“ und auch auf hiesigen Druck –  in unseren hiesigen Pressestimmen ist immer wieder zu lesen: „Was soll das? Sinnloser Dialog“ –  werden die Russen sich sowieso nicht bewegen.

Aufgezeichnet von Victoria Baxter
verschriftet von Kirsten Mische

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