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19/03/2024
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Fasbender: Die Chinesen können den Amerikanern die Welt streitig machen, das kann Russland nicht.

Foto Copywright: Emilio Esbardo

Thomas Fasbender, deutscher Industriekaufmann, Philosoph, Journalist, Publizist und Unternehmer.

BKZ: Guten Morgen. Wer sind Sie?

Fasbender: Thomas Fasbender im Moment aus Berlin.

BKZ: Und was machen Sie beruflich?

Fasbender: Ja, ich bin Autor und Journalist und Publizist, also in dem Rahmen. Aber ich war schon alles Mögliche, ich hab’ schon Unternehmen für Fuhrparkverwaltung geleitet in Russland und Weberei und Spinnerei bin ich Anteilseigner gewesen.. also ein buntes Leben. Ich bin ja schon ein bisschen älter.

BKZ: Wo sind wir jetzt?

Fasbender: Wir sind im Hotel Steinberger am Berliner Hauptbahnhof.

BKZ: Und warum?

Fasbender: Ja, ich hab’ heute die Ehre gehabt, mein Buch vorzustellen, was ich selbst erst seit zwei Tagen in eigenen Händen habe: „Wladimir W. Putin. Eine politische Biographie“ Das hat damit zu tun, dass ich 23 Jahre in Russland gelebt habe.

BKZ: Sie meinen Wladimir Putin, den russischen Präsidenten.

Fasbender: Den russischen Präsidenten, genau.

BKZ: Beginnen wir mit den russisch-deutschen Kulturbeziehungen. Lomonossow (Michail Wassiljewitsch Lomonossow), der Begründer der Moskauer Universität, war in Deutschland, hat hier studiert, gründete? Theater. Wie sehen Sie die historische Beziehung zwischen Russland und Deutschland? War die gespannt oder einigermaßen gut? Wie sehen Sie das?

Fasbender: Nein, wir haben insgesamt 300 Jahre einer sehr engen russisch-europäischen Beziehung hinter uns, vor allem auch einer russisch-deutschen Beziehung, das hat sicherlich auch damit zu tun, dass unsere Mentalitäten, also die kollektive deutsche russische Mentalität, relativ gut zueinander passen. Die Deutschen in Russland gehörten immer zu den größten Auslandsnationen und die Russen haben sich auch immer wieder in Deutschland wohlgefühlt. Allerdings müssen wir auch sagen, dass diese große Zeit mit der großen Zeit Europas zu Ende geht, ja? Europa tritt zurück international in die zweite Reihe, irgendwann in diesem Jahrhundert, geopolitisch. Und die Russen sind aus verschiedenen Gründen dabei, sich kulturell neu zu orientieren.

BKZ: Aber es gibt einen internationalen Partner, der keine gute Beziehung zwischen Russland und Europa will, das sind die Amerikaner. Meiner Schätzung nach wollen die Amerikaner keine gute Beziehung zwischen den Europäern und Russland. Habe ich da Recht?

Fasbender: Nein, so pauschal würde ich das nicht sagen. Die Amerikaner haben ein großes Interesse, das ist ihr geopolitischer Brückenkopf auf dem eurasischen Kontinent. Die USA als Inselmacht haben im Westen des eurasischen Kontinentes eben Europa, Westeuropa, Mitteleuropa, als wichtigen geopolitischen Brückenkopf, den sie brauchen, um ihre Macht nach Eurasien hineinzuprojizieren. Auf der anderen Seite, im Osten, sind das Japan, ist das Australien, ist das Südkorea. Dort sind zurzeit die Auseinandersetzungen noch größer als in Europa, aber wir sehen gerade konkret mit der Ukraine-Krise: Die USA sind sehr daran interessiert, also, die Territorien ihres Brückenkopfes hier zu konsolidieren und die Amerikaner wollen natürlich auch Kontrolle haben, auch Kontrolle über die Europäer. Andererseits sind die Amerikaner ja nicht unsere Gegner, die Amerikaner sind auch keine Gegner vernünftiger russisch-europäischer Beziehungen, sie wollen sich aber den Einfluss bewahren.

BKZ: Aber sie erlauben Russland keine internationale Rolle, nicht etwa wie China als „factory for the World“, sie wollen Russland auf internationaler Ebene keine große Rolle als Energielieferant oder so etwas zubilligen. Sie blockieren z.B. den Nord Stream 2, sie wollen Russland nicht so groß auf der Weltebene, oder?

Fasbender: Ich glaube, die Amerikaner haben zurzeit einen großen Rivalen auf dem Schirm, das ist China. China ist in den letzten 20, 30 Jahren enorm gewachsen. Seit zehn Jahren… ungefähr zehn Jahren nehmen wir China als geopolitischen Rivalen der USA wahr und natürlich ist es das amerikanische Interesse, jetzt den alten großen Rivalen, also Russland, damals in Form der Sowjetunion, in diesen Rivalitäten auf den zweiten Platz zu verweisen. Also man sieht das russische Störpotenzial für die Amerikaner, für den Westen, und dieses Störpotenzial möchten die amerikanischen Strategen begrenzen, ja? Sie möchten es am liebsten soweit kontrollieren, dass sie sich ganz auf die Auseinandersetzung mit China konzentrieren können. Es geht da nicht grundsätzlich um Russland, um Russland, sondern es geht wohl eher darum, dass eine tripolare Welt – also wenn man sich jetzt Washington, Peking und Moskau vorstellt – noch schwieriger zu organisieren wird als ’ne bipolare Welt. Unsere Politik ist an bipolare Zustände eher gewöhnt, aus dem 20. Jahrhundert heraus, als an tripolare oder gar noch multipolare, die sind noch viel komplizierter. Und insofern erkläre ich mir das Streben der Amerikaner, sie wollen vor allem für Ordnung sorgen im europäisch-russischen Verhältnis, sie wollen ihren Einfluss nicht verlieren und sie wollen sich auf China konzentrieren können.

BKZ: Aber ich behaupte, das Feindbild Russland wird übertrieben, dass die Amerikaner mit Absicht Russland überschätzen und sagen, es ist eine Gefahr. Und die Amerikaner wollen ihre Agenda durchsetzen, z.B. ihr Militärbudget erhöhen. Sie benutzen Russland dann als Feindbild, um ihr militärisches Budget erhöhen zu können. Und das wiederholt sich immer im Dezember, bevor sie ihr Militärbudget genehmigen, dann kommt Russland sofort aus der Erinnerung als Feindbild. Diese Geschichte wiederholt sich jährlich.

Fasbender: Wissen Sie, ich sehe das nicht so. Russland hat nicht mehr die Bedeutung. Wenn die Amerikaner ihr Militärbudget erhöhen, dann viel eher aufgrund der chinesischen Aufrüstung. Die Chinesen werden nicht nur wahrgenommen, die Chinesen sind objektiv eine größere Gefahr für die amerikanische Macht. Russland hat eher.. sagen wir mal..  Potenzial als Störfaktor, aber hat nicht das Potenzial, gleichwertig wirklich wie die Chinesen den Amerikanern die Welt streitig zu machen, das kann Russland nicht. Und auch das Feindbild, würd’ ich sagen … ich treff’ in Deutschland fast öfter auf so etwas wie ein Feindbild, als in den USA. Es ist da ganz bezeichnend, dass jetzt in den letzten Wochen und Monaten es die USA waren, die eigentlich gesagt haben. „Lasst uns zum Dialog.. lasst uns hinsetzen“, ja? In der europäischen Presse, in den europäischen Medien gibt es ’ne starke transatlantische Fraktion, die fast noch eher mit .. ja.. antirussischen, russophoben Argumenten operieren als die Amerikaner das tun. Ich seh’ die Amerikaner, die Rolle der Amerikaner im Moment eigentlich pragmatischer als die Rolle vieler deutscher Transatlantiker, die wirklich mit allen Rohren gegen den russischen Feind schießen.

BKZ: Vermisst Russland bzw. Putin Merkel jetzt? Die Beziehung zwischen Merkel und Putin war definitiv besser als jetzt. Scholz ist neu im Amt, aber … was meinen Sie?

Fasbender: Es war vor allem ’ne starke Beziehung. Ich würd’ gar nicht sagen, dass es unbedingt ’ne gute Beziehung war, sicher keine leichte, für beide nicht. Aber es war ’ne starke, sie haben sich … sie wussten, was sie aneinander haben. Sie sind sich auf Augenhöhe begegnet und sie waren wirklich Erstligaspieler, beide. Ich glaub’ schon, dass Putin die Möglichkeit eines vertrauten Ansprechpartners vermisst, denn die haben viel mehr, viel öfter miteinander telefoniert als wir das in der Öffentlichkeit wahrgenommen haben. Und vor allem ist Frau Merkel auch jemand, der natürlich aufgrund der Sprachkenntnisse und auch aufgrund des persönlichen Hintergrunds, also Aufwachsens in der DDR, die Bedingungen eher verstanden hat, unter denen Putin arbeitet und denkt und fühlt. Und das .. da kommt jetzt so ’ne Außenministerin, Annalena Baerbock, die sehr außenpolitisch an den USA geschult ist, die eine Basis hat, eine Parteibasis, die ausgesprochen bürgerrechtlich, menschenrechtlich, ist, demokratiebewusst, und das wird natürlich in Russland, aber auch in China und anderen Ländern, deren Gesellschaftsordnung bewusst autoritärer gestaltet ist als bei uns, wird das auf Schwierigkeiten stoßen.

BKZ: Aber wenn wir auf die Weltlandkarte gucken, sehen wir eine Konkurrenz zwischen dem Westen und Russland. Schauen wir auf Syrien, sehen wir die Amerikaner und ihre Verbündeten auf einer Seite und Russland auf der anderen Seite. Das gleiche in Libyen, in Äthiopien, in der Türkei, wie es mit Erdogan ist. Immer gibt es Konkurrenz in der Außenpolitik zwischen dem Westen und Russland. Oder finden Sie, diese Konkurrenz ist normal? Ist es legitim, dass jeder die Welt beherrschen will?

Fasbender: Nein, ich glaube, dass wir definitv einen Konflikt haben, den wir in dem Ausmaß vor zehn Jahren nicht gehabt haben, sagen wir mal. Das hat sich alles seit 2014 sehr geändert, zum Schlechteren, so gesehen. Man kann den Konflikt auch durchaus als hybriden Konflikt bezeichnen, weil er gleichzeitig weltanschaulich und dann im Cyberspace stattfindet, und zwar auf beiden Seiten, ja? Beide Seiten streben im Prinzip danach, einander zu destabilisieren, beide Seiten streben danach, Punkte auf Kosten des anderen zu machen, ob das jetzt in Nordafrika ist oder in Mali ist, ob es in anderen Regionen ist. Und beide Seiten suchen auch noch ihre Rolle. Wie ich vorhin sagte, eine bipolare Welt, eine tripolare Welt, noch sind das wie so junge Katzen, die so’n bisschen rumbalgen, oder alte Katzen, die noch balgen wollen.

BKZ: Letzte Frage: Putin lebt nicht für immer und ewig. Keiner lebt für immer und ewig. Wie sehen Sie den Machtübergang von Putin zu seinem Nachfolger? Wie wird er das entwickeln? Ist es wieder ein Militär, ein KGB-General, der an die Macht kommt, oder wie sieht es aus? Oder wird es in Russland einen Bürgerkrieg geben, wie in den Ländern, die nicht aus der Russischen Föderation hinauswollen? Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung?

Fasbender: Also der Machtübergang wird im Zweifel eher schwierig sein, weil die Wahrscheinlichkeit, dass es ’n glatten Übergang gibt, ist gerade unter den dortigen Verhältnissen, wo es ja eigentlich keinen Wettbewerb demokratischer Parteien oder keinen Wettbewerb verschiedener Führer gibt, sondern alles sehr monolithisch organisiert ist. Im Idealfall folgt auf Putin ein Mensch, der in der Lage ist, in der Bevölkerung sehr rasch eine Mehrheit auf sich zu vereinigen, so wie Putin das die ganzen Jahre über getan hat. Wenn es dazu nicht kommt, wird es auf jeden Fall Schwierigkeiten geben, wird es möglicherweise auch kurze .. kurzzeitige Führer hintereinander geben, oder Staatsführerinnen, -präsidentinnen. Die Frage, inwieweit die Geheimdienste dort ’ne  Rolle spielen – ich glaub’ schon, dass der Sicherheitsapparat in den letzten Jahren jedenfalls den Primat über den liberalen Flügel der Gesellschaft, den es ja weiterhin auch gibt, auch den der politischen Klasse, gewonnen hat. Im Zweifel heute kommt eher ein Nachfolger aus dem Sicherheitslager, dem sogenannten Militärlager. Aber das Allerentscheidendste wird am Ende sein, es muss ein Mensch sein, der in der Lage ist, rasch die heutige Putin-Mehrheit hinter sich als neue Mehrheit zu galvanisieren. 

BKZ: Und ist jetzt Nord Stream 2 für immer tot?

Fasbender: Nein, nein, nein!

BKZ: Warum nicht?

Fasbender: Die Pipeline liegt, die Pipeline liegt! Jetzt ist sie erstmal Objekt und Opfer politischer Auseinandersetzungen. Vielleicht liegt sie ein Jahr, vielleicht liegt sie zwei Jahr – ich glaub’, ehrlich gesagt, nicht, dass Europa, das gleichzeitig aus allen jetzt schwer CO2 … umfangreich CO2 erzeugenden Energien aussteigen will, dass dieses Europa ohne Erdgas als relativ CO2- freundliche fossile Energie überleben kann. Aber das werden wir möglicherweise in fünf Jahren anders sehen, also in fünf Jahren, glaub’ ich.. also meine Wette wäre, wird das laufen, spätestens.

BKZ: Also Sie meinen, nachdem Annalena Baerbock das Auswärtige Amt verlässt, weil sie das auf keinen Fall erlaubt, oder?

Fasbender: Nein, auf keinen Fall ? Kein Politiker erlaubt irgendwas auf keinen Fall oder unbedingt, ja ? Politiker … oder die Kunst der Politik ist die Kunst des Möglichen und das Mögliche ist eben immer, dass nichts ausgeschlossen ist. (lacht)

BKZ: Aber Sie haben schon von Anfang an gesagt, dass sie proamerikanisch ist und antirussisch.

Fasbender: Ja, aber das heißt ja nicht…  In Amerika gibt’s ja auch Stimmen, die sagen: „Lasst den Europäern mal ihre Pipeline! Das hat auch andere Vorteile.“

BKZ: Vielen Dank für Ihre Zeit, dankeschön.

Fasbender: Gerne.

Interview geführt von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Kirsten Mische

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