Brigadegeneral Qasim Shahzad, Verteidigungsattache der pakistanischen Botschaft in Berlin
Interview mit dem Verteidigungsattaché der pakistanischen Botschaft in Berlin, dem Brigadegeneral Qasim Shahzad
Landprofil Pakistan:
Die ca. 796.000 Quadratkilometer Pakistans werden von etwa 249 Mio Einwohnern bewohnt, die es damit zum fünftgrößten Land der Welt in Bezug auf die Bevölkerung machen. Es besitzt die zweitgrößte Wirtschaft Südasiens nach Indien. Ein bedeutsamer Wirtschaftszweig ist die stark exportorientierte Textilindustrie, die ca. 60 % des Exporterlöses ausmacht (Zahlen von 2020).
Die Strategie Pakistans zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus.
BKZ: Wie lange wird Pakistan sich mit der Bekämpfung der islamistischen Terrorgruppen beschäftigen, wie z.B. dem islamischen Staat Chorasan?
Qasim Shahzad: Nachdem 2021 die Koalitionstruppen bzw. NATO Truppen das Nachbarland Afghanistan ohne eine dauerhafte Lösung verlassen hatten, hat es dort kein funktionierendes Regierungssystem mehr gegeben. Die Grenze zu Afghanistan ist eine raue, gebirgige, flussreiche Region. In den letzten zehn Jahren hatten die pakistanischen Streitkräfte etwa 95 % dieser Grenze mit einem Zaun versehen, mehr als 2000 km. Damit sind die Bewegungen von beiden Seiten über die Grenze hinweg reguliert, auch was den Schmuggel angeht. Technisches Equipment, wie z.B. Sensoren, ist vor Ort.
Es gibt zwei Sorten von terroristischen Gruppen in Afghanistan, die eine sind lokale Gruppen, die andere die regionalen Gruppen. Von diesen gibt es welche, die nur in einem bestimmten Land wirkten. So ist es mit den pakistanischen Taliban, die nur dort aktiv sind. Eine internationale Terror Organisation ist jedoch Al Kaida, die in weiten Gebieten eliminiert worden ist, aber noch präsent in Afghanistan. Pakistan hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es für eine afghanische Regierung eine Lösung geben muss, die alle dortigen Parteien beinhaltet. Solange wird Pakistan eine afghanische Regierung nicht anerkennen. In 2023 hat Pakistan die größte Anzahl afghanischer Terrorakte in sieben Jahren über die Grenze hinweg verzeichnet. Pakistan zahlt den höchsten Preis für die Situation, die in Afghanistan nach Investitionen von Milliarden Dollar entstanden ist. Dort gibt es immer noch keine nennenswerte Infrastruktur, kein funktionierendes Gesundheitssystem.
Pakistan ist das einzige Land im Umkreis, an das sich die Afghanen um grundlegende medizinische Hilfe wenden konnten. Es standen jeden Tag Hunderttausende Frauen und Kinder an der Grenze zu Pakistan, um dort medizinische Hilfe zu erbitten. Einerseits möchte Pakistan gern helfen, andererseits wollen aber gleichzeitig afghanische Terroristen mit diesen Familien ins Land kommen. Dies ist für Pakistan eine sehr gefährliche Situation. Nach dem Anstieg terroristischer Übergriffe in 2023 hat Pakistan letzten November beschlossen, sich illegal in Pakistan aufhaltende Afghanen, darunter auch illegale Spendensammler, zurück in ihr Land zu schicken. 80 % der berichteten Terrorakte seien nachweislich von diesen Leuten begangen worden. Etwa 400.000 illegale Afghanen sind so bereits zurückgeschickt worden.
BKZ: Obwohl Pakistan einen der besten Geheimdienste der Welt hat, gelingt es dem Land nicht, das Terroristenproblem zu lösen. Der Geheimdienst im auswärtigen Dienst ist stark, der fürs Innere dagegen schwächer. Wie kommt das?
Qasim Shahzad: Die 796.000 Quadratkilometer Pakistans sind unter der Kontrolle des pakistanischen Staates, was für die Effektivität der dortigen Geheimdienste spricht. Die Terrororganisationen wie Islamischer Staat Chorasan, etc. seien jenseits der Grenze in Afghanistan aktiv, es gibt keine Präsenz von diesen auf pakistanischem Boden. Dies ist in Anbetracht von zwanzig Jahren Kämpfen in Afghanistan ein beachtlicher Erfolg für Pakistan.
In den letzten zehn Jahren hatten die pakistanischen militärischen und Geheimdienste die Grenze zu Afghanistan eingezäunt. Jeder, der seitdem von Afghanistan aus einreisen will, benötigt einen gültigen Ausweis und ein Visum dafür, so funktioniere das gesamte Einreisesystem. Diese Tatsache ist den Terrorgruppen ein Dorn im Auge, die zuvor durch die 2000 km lange Grenze freien Zugang zum pakistanischen Territorium gehabt hätten. Damals hatten sie beliebig kommen und gehen können. Jetzt sind sie auf wenige Durchgangspunkte mit gültigen Ausweispapieren beschränkt. Die 5 % der Grenze ohne Zaun sind unzugängliches Bergland und spielten für illegale Grenzübertritte keine Rolle.
interviewed von Nader Mohamed
übersetzt und verschriftet von Kirsten Mische