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24/11/2024
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„Die AfD wird nicht wieder verschwinden“ – Christian F. Hirsch (alias Schwanenburg) über sein Buch ‚Machtergreifung‘ und seine Zeit bei der AfD

Christian F. Hirsch alias Ferdinand Schwanenburg (Autor von „Machtergreifung):
Ja, erstmal schönen guten Morgen, meine Damen und Herren. Wenn ich hier in die Runde schaue und ich hab mir gestern auch nochmal ein bisschen im Internet gegoogelt, wie man das ja heute macht. Sie sind alle Politikprofis bzw. Kommunikationsprofis, die lange im Berliner und internationalen und deutschen Politikbetrieb drin sind und da wissen Sie genau, dass es neben den Politikern eine große Heerschar von namenlosen und auch nahe gesichtslosen Helfern gibt im Hintergrund, die Schattenmänner, die Hintergrundmänner, Referenten, Pressesprecher, die eigentlich nie auftauchen. Ein solcher, äh, Schattenmann oder ein solcher Hintergrundmann war ich bis gestern 18 Uhr, als nämlich dann mein Pseudonym gelüftet wurde, ich zum ersten Mal sozusagen jetzt selber in meiner Person an die Öffentlichkeit getreten bin. Bisher war ich immer, saß ich immer auf der anderen Seite, früher erst als Journalist oder ich saß dann auch auf, bei vielen Pressekonferenzen als Pressesprecher daneben, aber die Aufgabe eines Pressesprechers oder Pressereferenten ist immer für andere zu sprechen oder über andere zu sprechen, über Themen, nicht über sich selber. Deshalb ist das heute für mich eine ganz große Prämiere und Sie merken vielleicht auch ein bisschen die Nervosität in der neuen Rolle. Ich muss zum ersten Mal über mich sprechen.

Also, das ist das Heraustreten aus dem Schatten. Was andere vielleicht mit 20 machen, mache ich, äh, jetzt mit annähernd 50. Ich habe bisher schon relativ viel gemacht, für Verwaltungen gearbeitet, fürs Militär, für Wirtschaft, war Pressesprecher eines Rüstungsunternehmens und habe auch viel beratend oder in einem direkten Angestelltenverhältnis für Politiker bisher aller Parteien, die im Bundestag sitzen, gearbeitet. Ich hatte einen, als Pressesprecher, einen Oberbürgermeister, der der SPD nahe war. Mein erster, eine Bürgermeisterin, war für die Linken, für die hab ich Parteitagsreden geschrieben. Ich hab für einen, äh, CDU-Abgeordneten des Bundestags gearbeitet, mal für einen Unternehmer, der in den Bundestag rein wollte. Ähm, für die FDP und auch für die AfD. Also, ich bin da relativ breit aufgestellt oder diversifiziert, wie man das heute sagt. Ähm, wie gesagt, ich hab dort für viele gearbeitet. Mich interessiert zwar auch, das kann man mir zwar zum Vorwurf machen, nicht so sehr die Inhalte von Politik und Kommunikation, sondern mehr die Mechanismen von Politik und Kommunikation.

Das ist eigentlich mein berufliches Metier und darin versteh ich mich auch. Und wenn sie hier mal die 20 Thesen sehen, dann steht dort die Machtmechanik einer Partei, Thesen aus dem Maschinenraum des Systems, ähm, AfD. Ich bin ein Politikhandwerker oder ein Kommunikationshandwerker, der in einem Maschinenraum arbeitet, der nicht nach draußen, also draußen arbeitet. Äh, und das ist auch der Ansatz der hinter diesem, äh, Buch steht. Ich war Pressesprecher der Stadt Frankfurt (Oder). 2015 hab ich dann mal gesagt, ich muss was Neues machen, weil man alle paar Jahre, will man sich auch verändern. Und 2015 gab’s grad die ersten, äh äh, AfD-Fraktionen in Deutschland, nämlich vor allem im Brandenburger Landtag. Durch einen Offizier-Kameraden von der Bundeswehrreserve-Offizier, der kannte den Andreas Kalbitz, den ich vorher nur ganz grob kannte, hat gesagt: „Mensch, im Brandenburger Landtag suchen die einen Referenten, der sich mit Kommunalpolitik auskennt. Hast du nicht Interesse?“ Damals war es so, dass wenige Leute zur AfD wollten, weil, ich sag’s jetzt ganz deutlich, benutze ganz bewusst das N-Wort, es war noch nicht zu dem Zeit als Nazi-Partei anzusehen. So, die AfD hat aber trotzdem schwer Leute gekriegt, weil, wenn eine neue Partei entsteht, ja, Fachspezialisten gibt’s wenig, die dann auf das Wagnis eingehen, für, für eine solche Partei zu arbeiten, deshalb haben sie schwer Leute gekriegt. Ich hab gesagt: „Das‘ ja spannend.“ Wer sich in Deutschland ein bisschen mit Politik auskennt, weiß, dass in Deutschland selten Parteien gegründet werden, die dann auch, äh, schnell in den Landtag kommen.

Das letzte Mal, dass wir in Deutschland eine große Zeit hatten, wo eine Partei gegründet wurde, war 1980, nämlich mit den Grünen. Nicht jeder Generation ist es vergönnt, das einmal mit zu erleben. Wie sich doch in einer Demokratie die Parteienlandschaft verändert. Deshalb hab ich damals gesagt: „Das‘ ja spannend. Das‘ ja interessant. Äh, ja, meld ich mich mal.“ Und so war ich dann ganz schnell in der Landtagsfraktion, äh, der AfD im Brandenburgischen Landtag. Ich kannte mich mit dem Land aus, hatte da auch meine Kontakte, alles Mögliche und das war auch sehr interessant. Eine neue Fraktion aufzu— mit aufzubauen in einem Landtag, das kriegt man nicht jedes, äh, kriegt man selten mit. Das war, da hat man schon sehr sehr viel gelernt. Ich hab allerdings ganz schnell gemerkt, mhm, das ist ja sehr interessant, wer da alles ist, es waren sehr sehr viele, oder wer sich in dieser Szene tummelt.

Da waren sehr sehr viele Linke, auch ein paar Grüne, die ehemals Grüne waren, viele natürlich von der CDU, ganz viele von der SPD, auch bei den Abgeordneten waren viele, die vorher Mitglied bei der SPD waren. Aber da war natürlich auch das, was man eher so dem braunen Rand nennt — nannte. Und das war – oder heute nennt. Und das war sehr interessant zu sehen, wer da welche Machtspielchen, welche Intrigen macht, wie die Machtmechanik funktioniert. Zu dem Zeitpunkt 2015, man kann mir das als Naivität vorwerfen, war ich noch davon ausgegangen, dass, ähm, wie bei den Grünen Jahrzehnte vorher, die Ränder, ich sag mal die undemokratischen Ränder, sich irgendwann entfernen und das eine normale bürgerliche Partei wird. Aus der heutigen Sicht muss ich sagen das war eine Fehleinschätzung, denn, äh, die rechten Ränder, die völkischen, die Umstürzler, die Systemstürzler, ähm, haben es geschafft die Macht zu übernehmen.

2015 war das. Hab ich ein Jahr gemacht, hab aber sehr schnell gesehen irgendwie musst du hier wegkommen. Allerdings, und das sag ich auch ganz deutlich, nach schon 3, 4 Monaten für die AfD zu arbeiten, war man im deutschen Arbeitsmarkt für meinen Bereich, für Kommunikation, für Politik verseucht. Keiner wollte mehr mit einem was zu tun haben, da muss man natürlich gucken, was man macht. Ich hab sehr schnell gesehen, „Hm, in der Brandenburger Fraktion, da sind viele Nazis“. Wie gesagt, ich benutze dieses N-Wort ganz bewusst, auch vor dem Hintergrund das ich weiß, dass man damit natürlich das, was zwischen 33 und 45 war, äh, möglicherweise etwas verharmlost. Aber ich benutze das Wort extra, denn es gibt eine Denk-, äh, also wie sagt man, -fortsetzung. Eine Fortsetzung der Gedanken. Es gibt für mich eine mentale Linie von 33 zu heute, zur AfD. Das ist auch einer der Hintergründe des Buches. 2015, 2016 hab ich dann jedenfalls gesagt: „Ja, okay, hier musst du weg aus der Brandenburgischen Fraktion“. Hab ich gedacht: „Okay, die Fraktion, die sich dann gewählt wurde 2016 im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern unter der Führung von zwei, ich sag’s mal bürgerlichen, heute würde ich vielleicht sagen vermeintlich bürgerlichen oder vor allem ein vermeintlich bürgerlichen, Führungs- Führungskräften.

Die haben mich engagiert, haben mich gecastet, ob ich dort nicht Fraktionsgeschäftsführer werden will. Das hab ich angenommen. Vielleicht ein Wort zum Begriff des Fraktionsgeschäftsführers: in jeder Fraktion, ob Landtags- oder Bundestagsfraktion, gibt es immer zwei Geschäftsführer. Einmal den sogenannten parlamentarischen Geschäftsführer, ich erläuter das so, weil die wenigsten das wissen, bei Ihnen setz ich’s mal voraus. Sie sind alle Profis, aber im Allgemeinen unbekannt, dass es immer zwei Geschäftsführer gibt, einen parlamentarischen Geschäftsführer, der Abgeordneter ist und sich um die inhaltliche politische Geschäftsführung kümmert. Und einen Fraktionsgeschäftsführer, der der Verwaltungschef ist. Und so wurde ich dann 2016 der Verwaltungschef von der Fraktion in, äh, der AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern mit 18 Abgeordneten und einem Mitarbeiter, der wurd nämlich auch gecastet, der Pressesprecher. Und dann hab ich den Auftrag gekriegt innerhalb von sechs Monaten, ähm, eine Fraktion aufzubauen, mit 25 Mitarbeitern Ziel, ähm, also Ziel, ähm, -vorstellung war 25 Mitarbeiter, Räume zu beschaffen, also alles was man machen muss von 0 auf 100 aufzubauen innerhalb von sechs Monaten. Das ist mir auch gelungen, allerdings unter sehr schweren Bedingungen, denn schnell stellte ich fest, dass auch in Mecklenburg-Vorpommern ein Teil der Fraktion doch aus recht braun-gesinnten Leuten besteht. Und, äh, da hab ich gesagt: „Okay, auch hier musst du weg“.

Aber, wenn Sie schon ein Jahr in, ähm, im Landtag von Brandenburg, äh, gearbeitet haben für die AfD, wenn Sie dann auch noch in einer Führungsposition waren, also sechs Monate Aufbau-Geschäftsfraktionsführer in Mecklenburg-Vorpommern, dann sind Sie auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland nicht mehr zu gebrauchen. Dann kann man leicht ins Prekariat, ins politische Prekariat ab-, ähm, abrutschen. Ich wurde dann, hab, sag mal, eine Ausweichposition gefunden, als Referent für Medien, für Bundes- und Europa-Angelegenheiten, hier im Abgeordnetenhaus, weil diese Fraktion damals unter dem, ähm, Generalsstabsoffizier, Generalsstabsoberst a. D., Georg Pazderski, als die liberalste und bürgerlichste galt.

Dann bin ich dort hingegangen, hab aber auch dort gemerkt, dass, ähm, die Identitären, also ich sag mal die, der Intellektu-, die intellektuelle junge Garde, äh, Deutschlands, so wie sie sich teilweise bezeichnen dort auch schon, äh, ein und aus ging. Und da war mir klar: „Nein, du musst ganz raus.“ Und dann sind vier Abgeordnete der Landtagsfraktion der AfD in Mecklenburg-Vorpommern auf mich zugetreten und haben gesagt: „Wir möchten die AfD und wir möchten auch die Landtagsfraktion verlassen. Kannst du uns eine neue Fraktion aufbauen?“ Und als ich dann als Mitarbeiter der Fraktion im Abgeordnetenhaus saß, habe ich fast generalstabsmäßig durchgeplant einen Operationsplan erstellt, wie wir, die vier Abgeordneten, noch ein Kollege, der sich auch Ent-AfD-fizieren wollte, auch die vier Abgeordneten haben mir gesagt: „Wir wollen uns ent-AfD-fizieren“, wie wir das machen können. Und dann haben wir geschrieben, vorbereitet, es ist auch, und das ist im politischen Geschäft, das wissen sie selber, sehr sehr schwierig, nichts durchgesickert und der Plan lief dann am Tag nach der letzten Bundestagswahl morgens um 8 Uhr an.

Da haben sich die vier Abgeordneten, mein Kollege und ich getroffen in einem Kellerraum in Schwerin, wo einer der Abgeordneten seine Unterkunft hatte, haben die neue Fraktion gegründet und wir haben Arbeitsverträge gekriegt, äh, die Abgeordneten sind in den Landtag gefahren, haben dem Landtagsdirektor gemeldet, dass sie jetzt aus der AfD austreten und ich habe die dpa angerufen und gesagt: „Sie werden gleich Arbeit bekommen. Hier gründet sich ne Fraktion, ich werde in diesen Minuten die Pressemitteilung rausschicken und Sie können sich über meine Person verifizieren beim Pressesprecher des Landtages“, den ich ne Minute vorher informiert hatte, dass das auch wahr war, weil, ich sag mal, in solchen Dingen wissen Sie selber, da gibt’s natürlich auch mittlerweile sehr viele fake, aber das wollten wir halt sicherstellen. Und dann habe ich, äh, mit den vier Abgeordneten nochmal eine Fraktion aufgebaut, mit zehn Mitarbeitern und diese 1,5 Jahre geführt und, äh, die vier Abgeordneten und auch einige Mitarbeiter aus anderen AfD-Fraktionen, die ich dann in meine neue Fraktion geholt habe, ent-AfD-fiziert. Wir haben die Fraktion aufgebaut, das hat alles geklappt. Vier der Abgeordneten, äh, also wir haben die Fraktion 1,5 Jahre gehabt, zwei der Abgeordneten sind dann, äh, aus dieser Fraktion dann auch wieder ausgetreten in die CDU rein und sozusagen dann, nach dieser Karenzzeit von 1,5 Jahren in den Schoß der bürgerlichen Parteien wieder aufgenommen wurden. Eine andere Abgeordnete, eine ältere Abgeordnete, hat gesagt: „Ich bleib fraktionslos.“ Ein vierter Abgeordneter […].

2017, nach dieser Fraktionsspaltung, setzte etwas ein, was sehr interessant war. Viele der, viele Journalisten aus Deutschland, auch von den großen Medien, viele Wissenschaftler riefen auf einmal an und landeten bei mir auf dem Schreibtisch, weil ich nämlich nicht nur Fraktionsgeschäftsführer, sondern ich hab auch die Pressearbeit gemacht. Und sie fragten dann immer, also wollten mit den Abgeordneten sprechen und meine Abgeordneten, na sagen wir’s mal so, sie waren nicht so Presse. Sie sagten: „Mach du das mal immer.“ Und dann haben viele Journalisten gefragt: „Ja, wer sind Sie denn?“ Und dann erzählte ich son bisschen und dann zum Beispiel von einem großen deutschen Medium, sagten Journalisten: „Oh, dann komm ich morgen mal nach Schwerin, dann sollten wir mal Essen gehen. Ähm, erzählen Sie in einem, erzählen Sie, können wir ja mal ein Hintergrundgespräch führen.“ Das ist übrigens n Autor, der heute auch im Verlag, Europaverlag, aktiv ist. Ich hab da viele Journalisten kennengelernt, äh, unter anderem auch, wo sitzt die Frau Merkel, Jana Merkel. Seitdem kennen wir uns, seit 2017.

Hab viele Hintergrundgespräche geführt, immer unter 3. Ich hab immer gesagt mein Name bleibt draußen, ich sehe, sag, sag zu jedem Journalisten das Gleiche. Und ich beantworte jede Frage, die gestellt wird und unter anderem haben sich dann auch an mich gewendet, äh, oder gewandt, ähm, Professor Hajo Funke, hier von der FU emeritierter Prof, ich sag mal, hat er auch nichts dagegen, äh, relativ linker Prof, der politisches Programm hat, der sagt gegen die AfD anzuarbeiten und auch Professor Wolfgang Schröder von der Universität Kassel, ähm, SPD-Mann in der Grundwertekommission der SPD, war in Brandenburg mal Sozialstaatssekretär. Mit dem hab ich mich auch sehr oft getroffen und gerade Professor Hajo Funke hat gesagt: „Herr Hirsch, Sie müssen das mal alles aufschreiben, was Sie da erfahren haben.“ Das hatte ich eigentlich gar nicht vor. Aber dann hab ich das, weil ich in einer – nach 2017 – in eine Selbstreflexionsphase eingetreten bin, was ich denn dort getan habe – nämlich, ähm, insgesamt, das sind 40, äh, Monate, also 2 Jahre, sind das 2, das kann nicht ganz, also 2 Jahre für die AfD zu arbeiten, also 2 Jahre für die AfD zu arbeiten, was ich denn da überhaupt getan habe. Dann hab ich mich hingesetzt und wie ich’s mal als Journalist gelernt habe, wollte journalistisch schreiben, aber ganz schnell gemerkt das geht nicht, weil’s mir gar nicht darum geht: Wer hat was jetzt gesagt? Wer hat was gemacht?, sondern auf einer vielleicht schon Metaebene mal zu schauen, wie sind denn die Mechaniken dahinter?

Nämlich genau die Machtmechanik, wie war das in dem Maschinenraum? Und so bin ich sehr schnell dazugekommen, das zu fiktionalisieren. Mir ging es gar nicht um die einzelne Person. Mir ging’s nicht um Herrn Gauland, mir ging’s auch nicht um Herrn Kalbitz, sondern um die Figuren, die dahinterstehen. Was, wer engagiert sich in der AfD? Mit welchen Motiven? Was sind das für Typen? Und ich habe dann eher so gewählt, wie Max Weber die Idealtypen, hab ich versucht Idealtypen der Personen, äh, in der AfD, die ich kennengelernt hab, zu Kollagen zusammenzuschreiben. Und das sind die Personen in dem Buch, die Christian Strasser gesagt, jetzt draufhingewiesen hab, hinten drinstehen. Es wurd, wird aber, oder sagen wir’s mal so, eine der ersten Rezensionen des Romans war von einem Experten für Schlüsselromane von der Universität Bonn. Der hat geschrieben: „Ganz klar. Ist ein Schlüsselroman.“ Nein, es ist kein Schlüsselroman.

Es mutet nur an wie ein Schlüsselroman. Ähm, es sind eigentlich Max Webersche Idealtypen, die ich dargestellt hab. Klar, wenn man das Buch liest. Eine der ersten Personen, die dargestellt wird, denkt man sofort an Gauland. Alleine schon wie er beschrieben ist. Wir werden auch viele wiedererkennen. Aber, mit vielen Journalisten, mit denen ich seit 2017 dann zusammengearbeitet hab oder Gespräche geführt hab, haben mich dann natürlich sofort angerufen, weil sie gesehen haben wer das Buch geschrieben hat. Das ist, und, es ist sehr interessant wer gesagt hat dann: „Ja, das ist doch der, das ist doch der.“ Und teilweise ging das so breit auseinander, das sagt mir ich hab was Richtiges gemacht, ich hab sozusagen die Typen wiedergefunden, die man oft findet in der AfD und jeder interpretiert dort etwas anderes, ähm, etwas anderes rein. So ist der Roman entstanden und ganz wichtig, meine beiden, die Herren, die neben mir sitzen, haben’s beide gesagt: Es ist eine Groteske. Man darf das Buch jetzt nicht lesen als sozusagen eine Wiedergabe der, der Wirklichkeit, haargenaue Wiedergabe, sondern es ist natürlich Vieles grotesk überzeichnet, ähm ähm, worden.  Es ist auch kein Aufdeckungsbuch. Hätte ich n Aufdeckungsbuch schreiben wollen, hätte ich das 2017 gemacht, kurz nachdem ich sozusagen als Mitarbeiter die AfD verlassen hatte.

Das hätt ich ganz anders angefangen und ich glaube, Christian Strasser wäre glücklich gewesen, denn mit so einem Buch hätte man viel Geld machen können, denke ich, weil, ähm, es gab einige von den Büchern, aber darum ging es mir nicht, mir ging es wirklich um diese Mechaniken einmal zu beschreiben. Und wir haben auch lange gewartet das Buch herauszugeben und es ist bewusst jetzt 2021, ähm, erschienen. Wir haben heute den 27. Juli. In genau zwei Monaten ist Bundestagswahl. Wer sich mit Politik und politischer Kommunikation auskennt, weiß, dass es oft der richtige Augenblick ist, der entscheidet. Und deshalb haben wir jetzt, auch während einer Sommerpause und vor einer Sommerpause diesen Roman veröffentlicht.

Denn er hat zwei Ziele: das eine Ziel ist ein politisches und wie gesagt, seit gestern 18 Uhr hab ich mich aus dem Schatten der, aus dem Metier der Schattenmänner herausbewegt, in das eher politische Metier. Denn mit dem Roman soll vor der AfD gewarnt werden – da werd ich gleich noch kurz drauf kommen, wenn die Zei-, wenn ich auf die Thesen eingehe. Und das zweite warum ich den Roman geschrieben habe, ist auch so etwas wie eine Buße. Ich hab vorhin gesagt 2017 setzte eine Reflexion ein und irgendwann merkte ich: „Mensch, du hast großen Mist gebaut, dass du für diese Partei 2 Jahre gearbeitet hat und sie damit potentiell befähigt hast auch in Dikt-, auch in Deutschland wieder eine Diktatur zu errichten. Denn, so meine These, die Grundthese des Buches: die AfD trägt potentiell das Gen in sich, hier wieder eine Machtergreifung zu wollen. Dafür tut man Buße oder das bereut man, wenn man das getan hat. In unserem Kulturkreis oder in allen Kulturkreisen gibt es das Phänomen der Buße. Und so ist dieser Roman für mich auch, ähm, ein Teil sozusagen, eine Abarbeitung, ein, ein, eine Buße, das, ähm, das ich damals getan hab.

Soviel zu Ihrer Frage: Wie kam es zu dem Roman? Und jetzt, weil man sich natürlich n bisschen vorbereitet, das weiß man als Pressemann, man kann, man geht nicht so in ne Pressekonferenz rein oder in ein Pressefrühstück, hab ich mir Gedanken gemacht jetzt nochmal nachträglich: Was waren denn die Leitthemen, die ich in dem Roman verarbeite und welche Thesen und die hab ich jetzt einfach mal zusammengeschrieben. So einfach war’s gar nicht, weil, ähm, ich hab versucht mich auf das Wichtigste zu konzentrieren. Die Machtmechanik, da hab ich gerade was zu gesagt, einer erfolgreichen Partei. Da können Sie natürlich gleich einhaken und ich hoffe, dass wir in eine Diskussion kommen. Das ist schon n bisschen komisch, dass sich im Jahre 2021, wo die AfD absinkt, sie trotzdem als erfolgreiche Partei bezeichnen. Und wie gesagt, es sind Thesen aus dem Maschinenraum.

Meine erste These [„Die AfD ist die Folge eines Integrationsproblems.“]: Ich mache journalistisch etwas ganz Schlechtes, ich fange nämlich mit was Uraltem an. Man lernt als Erstes, glaub ich, als Journalist, wenn man eine Nachricht schreibt: Die Neuigkeit. Ich fange hier an mit einem Autoren, den ich zitiere, der 2004 das Buch in Englisch und 2008 in Deutschland, er war deutsch, herausgegeben hat. Äh, Colin Crouch, nämlich das Buch, ähm, jetzt muss ich erstmal selber überlegen, ähm, Post-ähm ähm, „Postdemokratie“, jetzt hab ich n Hänger gehabt. Vielen Dank an den guten Mann, gut dass man gute Leute an der Seite hat, die Schattenmänner an der Seite. Das ist n alter Hut. Das ist uralt. Allerdings, als ich in die AfD-Szene reinkam und ich kannte das Buch natürlich, hab ich gemerkt: „Mensch, was die Leute dir erzählen ohne den Begriff „Postdemokratie“ zu nennen“, ohne jetzt überhaupt jemals davon gehört zu haben, dass es Bücher gibt, erzählen dir die Menschen, die Wähler, die Mitglieder, die-die Fans genau das, was da drinsteckt. Das war meine erste These und die kommt auch im Buch vor.

Es sind viele Menschen, viele Wähler, viele Deutsche verunsichert. Sie fühlen sich nicht mehr genug integriert. Und ein zweites Buch und auch damit mach ich eigentlich einen großen Fehler, wenn ich das zitiere, nämlich von Cornelia Koppetsch, ähm, „Die Gesellschaft des Zorns“. Frau Koppetsch soll plagiiert haben, damit sollen sich die Wissenschaftler beschäftigen, ist nicht mehr ganz opportun sie zu, äh, zitieren. Dennoch, als ich das Buch gelesen habe, jetzt lange nachdem ich aus der AfD-Szene raus bin, hab ich gemerkt: Sie beschreibt sehr gut, äh, was ich auch damals beobachtet habe. Deshalb meine erste These: Die AfD ist ganz klar die Folgen des Integrationsproblems. Viele Menschen sehe unsere Demokratie nicht mehr als Demokratie an, sondern als Postdemokratie und sehen als eine Lösung für die Postdemokratie die AfD.

Zur zweiten These, das ist einer meiner Lieblingsthesen [„Die AfD hat aus der Geschichte gelernt.“]: Wir haben grad in Deutschland, spielt Geschichte eine große Rolle. Die Auseinandersetzung mit Geschichte, das ist, ich nenn’s mal sowas wie eine Leitwissenschaft. Jeder, der sich mit Politik beschäftigt, muss sich mit Geschichte beschäftigen. Und grade Kreise, viele politische Kreise ziehen ihre Legitimation daraus, ähm, das zu verhindern, was zwischen 33 und 45 war. Und, äh, voran für sich und Sie sagen Sie haben ein besonderes Geschichtsbewusstsein und zur Abgrenzung Feind-Freund-Mechanik, weisen Sie der AfD, den Mitgliedern der AfD, der Szene sehr oft Geschichtsvergessenheit zu. Meine Erfahrung in der AfD-Szene, als Mitarbeiter, ist aber: Nirgendwo sind die Leute so geschichtsbewusst wie dort. Allerdings interpretieren sie die Geschichte anders.

Und zwar nehmen sie das was zwischen 33 und 45 war als Blaupause für das, was man wieder errichten könnte. Im Roman spielt das zum Teil eine zentrale Rolle. Dort habe ich zitiert oder eingebaut, das Buch von dem doch arg-konservativen nicht mehr lebenden Historiker Joachim C. Fest, der eine große Hitler Biografie, ich glaub in den 70ern geschrieben hat und der Hauptakteur, der nachher der Diktator von Deutschland werden will, nimmt dieses Buch, die Geschichte, also die Biografie von Hitler, als die Blaupause.


Nächste These [„Die AfD wird nicht wieder verschwinden.“]: Die AfD wird nicht wieder verschwinden. Sie hat sich festgesetzt. Sie sitzt in 16 Landtagen, sie sitzt im Europaparlament, sie sitzt im Bundestag und die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie auch in alle Landtage wieder reingewählt wird und auch wenn nicht, vielleicht in 2,3 nicht, sie hat sich festgesetzt. Sie hat Referenten, sie baut ganz immens oder ganz massiv eine kommunalpolitische Ebene auf, ähm, noch nie, es gab viele Versuche in Deutschland rechtsextremistische Parteien zu gründen. Die sind immer gescheitert. Die sind vielleicht in 1, 2 Landtage gekommen, nie in den Bundestag. Hier aber zum Beispiel, hier aber zum ersten Mal, hat es eine Partei geschafft Strukturen aufzubauen, Strukturen, die langanhaltend sind. Was glauben Sie, dass grad die Referenten, die Schattenmänner, die in der AfD, die in den Fraktionen arbeiten, ähm, die werden alles tun diese auch Pfründe, ich benutze bewusst diesen eher altmodischen Begriff nicht zu verlieren – sie sind dort. Und deshalb wird sie nicht wieder verschwinden, auch darüber kann man reden.


Ja, These vier [„Die AfD ist ein System.“], dieses „die AfD ist ein System“. Ich will sie jetzt nicht mit Niklas Luhmann und Systemtheorie nerven, aber wir fragen uns immer noch, wie kann man das überhaupt bezeichnen? Ich tu mich heute noch schwer die verschiedenen Gruppierungen der AfD zu bezeichnen. [unverständlich] sagt immer links und rechts, aber das ist etwas merkwürdig, wenn ich von den „linken AfDlern“ spreche. Bzw. kleine Anekdote, mir hat auch mal einer gesagt: „Naja Christian, du bist ja der linksextremistische Rand in der AfD.“ Wie bezeichnen wir sie? Ich sag auf der einen Seite immer: „Ja, die Nazis“, damit mein ich eigentlich den Flügel, aber den Flügel gibt’s offiziell gar nicht mehr, den kann man—da kann ich gar nicht drüber sprechen (ihn gibt’s natürlich, weil nur wenn ich etwas nicht mehr benenne, verschwindet das ja damit nicht). Es gibt dann, Professor Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel, der spricht von dem parlamentsorientiertem und dem bewegungsorientiertem, auch sehr sperrig. Ich hab mich jetzt darauf geeinigt, sag die Völkischen und die Systemstürzler und beim Wort „Systemstürzler“ kommt schon das zum Ausdruck, was sie wollen, nämlich das System der Bundesrepublik Deutschland stürzen. Auch auf der andern Seite ist es schwierig.

Spricht man von den Bürgerlichen. Ja, man kann von den Bürgerlichen sprechen, aber dann muss man auch eine zeitliche Ebene einbauen. 2015 kann man sicherlich noch sehr gut von den Bürgerlichen der AfD sprechen, bloß viele von denen haben diese Partei verlassen. Deshalb, in dem Fernsehbeitrag gestern, mir ist nochmal aufgefallen, als ich ihn gesehen hab, hab ich auch ganz bewusst von den „vermeintlich Bürgerlichen“ gesprochen. Herr Meuthen, Herr Pazderski, denn wer heute noch in der AfD ist, der kann nicht mehr bürgerlich sein. Wenn ein Herr Meuthen immer noch das mitträgt, ähm, was ein Höcke macht, dann ist das, hat das mit Bürgerlichkeit nichts mehr zu tun, dann kann man nur noch von „vermeintlicher Bürgerlichkeit“ sprechen. Wir müssen uns überlegen, wie wir auch Begriffe finden, die angemessen sind. Was die AfD nicht ist, eine normale Partei. Sie ist etwas anderes.


[„Der Flügel hat die AfD systematisch unterwandert.“]: Das wurde mir ganz bewusst, als ich dann sozusagen in das, ähm, System AfD eingestiegen bin. Die Systemstürzler, die Völkischen kennen sich schon sehr lange. Ein kleines Beispiel: Ich ging einmal mit einer, mit ähm, Andreas Kalbitz und sagte so nebenbei zu ihm, das war noch ganz am Anfang: „Man, dieser Kubitschek, Götz Kubitschek, der ist ja schon n komischer, skurriler Typ. Der hat doch irgendwie einen an der Klatsche.“ Andreas Kalbitz guckte mich ganz an, ich merkte wurd son bisschen bleich: „Ja, hm, das war noch am Anfang, als der, die, als der sich noch nicht zu erkennen gegeben hat. Ja, nee, hm, hat doch interessante Thesen. Ja, wir kennen uns ja auch schon sehr lange. Damals am Lagerfeuer bei der Bundeswehr.“ Okay, war mir schon klar. Die kennen sich oft sehr lange, aus alten Schülerverbindungen, Pennä—also Pennäler Verbindungen, Studentenverbindungen, Bundeswehr, irgendwelchen Kameradschaften. Was mir dort schnell aufgefallen ist, es gibt dort Netzwerke, die schon sehr lange davon träumen, dass sie eine Partei kriegen oder ein System wie die AfD, dass sie nutzen können für etwas, das wir alle sicherlich nicht wollen. Und der Flügel hat, meines Erachtens, die AfD systematisch unterwandert.


[„Die anderen Parteien stehen der AfD hilflos gegenüber.“]: Das merkt man, wenn man sich mal einen Landtag anguckt. Ich hab das in Brandenburg erlebt, die heutige Ministerin, ähm, Ursula Nonnemacher hat jedes Mal in jedem Ausschuss, in jeder, äh, Bund-, äh in jeder Landtagssitzung versucht die AfD argumentativ zu fassen. Sie hat sich wirklich intensiv mit den Anträgen der AfD auseinandergesetzt. Und ich war ja auf der anderen Seite, ich wusste ja wie die entstanden sind. Da geht es darum Action zu machen, Zorn zu wühlen und sie ist also rangegangen, wirklich mit einer politikwissenschaftlichen Analyse der Inhalte. Das heißt, viele haben noch nicht verstanden, worum’s der AfD überhaupt geht.
These 7 [„Die Journalisten haben wenig Ahnung von der AfD.“]: Es gibt, sag ich mal, einige in Deutschland, die sich sehr intensiv damit beschäftigen. Aber die Masse der Journalisten, ähm, hat, behandelt auch die AfD wie eine normale Partei und ist ihr teilweise auch, ähm, hilflos ausgeliefert. Also, Frau Merkel, wir haben uns ja darüber unterhalten, ähm, dass Sie auch Kurse geben für Journalisten wie man mit der AfD – sagen Sie mal, wenn ich was falsch sage, greifen Sie ein – argumentiert, wie man damit umgeht. Denn es sind teilweise hochprofessionell Kommunikationsprofis, wo gerade viele, ich sag’s jetzt mal schlecht ausgebildete Journalisten, keine Chance haben.


[„Die AfD braucht die traditionellen Medien nicht.“], darüber kann man diskutieren, weil gerade die vermeintlichen Bürgerlichen, die wollen natürlich in die Medien. Was glauben Sie, wie viel Abgeordnete gekommen sind: „Hier guck mal, ich steh in den Medien.“ Also, bei einem Teil der AfD-Politiker ist eine große Mediengeilheit da, ich nenn’s jetzt mal wirklich so. Aber, auf der andern Seite bei den völkischen, die sagen: „Wir müssen unser eigenes Medienimperium schaffen.“ Und die arbeiten ganz systematisch da dran, sich ihre eigenen Medien zu schaffen, die unabhängig sind von den eher traditionellen Medien.


[„Die AfD arbeitet an der kulturellen Hegemonie.“]: hab ich selber erlebt, wie dort hochintelligente junge Mitarbeiter ganz genau Antonio Gramsci gelesen haben. Und, äh, wissen wie man die hegemoniale, ähm, Hegemonie erreichen kann. Und da hab ich Konzepte auf einmal gesehen und dachte: Was ist denn das? „Oah, lass uns mal Ausstellungen machen, lass uns mal das machen“, also sozusagen eine Gegenkultur aufzubauen.

These 11 [„Die AfD feiert die rechtsplebejische Protestmännlichkeit.“]: Es gibt eine Theorie von Otto Rühle, einem relativ, ich sag mal linken, sehr interessanten Denker aus dem Anfang des 20. Jahrhundert. Der hat damals den Begriff der „proletarischen Protestmännlichkeit“ beschrieben. Ich denke es gibt eine „rechtsplebejische Protestmännlichkeit“, die gerade durch solche, ähm, Typen wie Andreas Kalbitz schon von seinem Habitus geprägt sind. Wir sprechen heute, gerade in den letzten Wochen, sehr viel von dieser „toxischen Männlichkeit“. Die AfD, die AfD-Fraktionen sind geschwängert von toxischer Männlichkeit.


[„Die AfD ist ein schwules Biotop.“]: Ich habe noch nie so viel mit Schwulen und Lesben zusammengearbeitet wie in der AfD. In allen Fraktionen. Ich hatte, äh, zwei schwule Abgeordnete, offen schwul-lebende Abgeordnete. Frank Christian Hansel, der Fraktionsgeschäft- parlamentarische Geschäftsführer hier in Berlin lebt mit seinem Mann, einem Brasilianer, ähm, im im im, im Nollendorfplatz, äh, in einer Kulturwohnung. Dort sammeln sich in der AfD Schwule und Lesben, ganz bewusst. Jetzt, die AfD ist keine schwulen-freundliche Partei. Ich geh mal davon aus, wenn sie an der Macht sind, werden dann, wird es das, vielleicht kommen, was wir schon 34 erlebt haben, nach dem Röhm-Putsch, dass dann nochmal die Verfolgung der Schwulen einsetzt, aber derzeit sammeln sich dort sehr sehr viele.


These 13 [„Die militärische Seele der AfD wird unterschätzt.“]: Ich bin Reserve-Offizier, Christian Strasser ist auch Reserve-Offizier, mhm, da gibt’s noch relativ wenig von in Deutschland. Grad muss man sagen auch unter Journalisten, deshalb bin ich- dräng ich mit der These nicht so durch. Aber die AfD ist durchdrungen, nicht nur von Militärs, Polizisten, Nachrichtendienstlern – und jetzt nicht die, die untersuchen wollen – die sich dort wohlfühlen. Die sozusagen Mitglieder sind. Kleines Beispiel: In der Fraktion von der, in die ich dann, also, nicht eingetreten bin, als Mitarbeiter eingetreten bin, ähm, von Gauland, bevor er in den Bundestag kam – die Truppe um ihn herum waren alles Militärs. Andreas Kalbitz, 12 Jahre bei der Bundeswehr, Fallschirmjäger, Feldwebel. Sein Büro, sein, äh, persönlicher Referent, dann Fraktionsgeschäftsführer, dann wieder persönlicher Referent, heute, äh, Abgeordneter im Bundestag und heute auch noch der Ziehsohn von Gauland. Springer, 12 Jahre bei der Marine, soweit ich weiß beordert Marinekommando oder Marine-, wie heißt das, ich glaub Marinekommando, auch im Bereich Intelligence noch als Reserve-Offizier. Sein dann persönlicher Referent, auch heute noch persönlicher Referent oder Büroleiter im Bundestag, 12 Jahre Offizier bei der Propagandatruppe der Bundeswehr. Der stellvertretende Fraktionsgeschäftsführer, Hauptmann der Reserve bei der Fallschirmjägertruppe. Das war der über den die Medien berichtet haben, der bei der HDJ war. Der dann rausgegangen ist, aber wenn Sie sich mal genau damit beschäftigen, ist jetzt so hört- so gibt es Gerüchte, ist wieder als Berater der Brandenburgischen Fraktion zurückgekommen. Also nicht mehr direkt in der Fraktion, sondern als Berater. Achso und dann war ich übrigens dann ja noch in der Fraktion auch noch da eng an, ähm, Gauland, ich saß sozusagen im Vorzimmer von Gauland.


These 14 [„Die Beobachtung nützt dem Flügel.“]: Das schweißt zusammen. Mehr möcht ich da jetzt gar nicht zu sagen.
Auch eine meiner Lieblingsthesen [„Die AfD 2021 ähnelt der NSDAP 1928.“]: 1928 gab es eine Reichstagswahl, die AfD hat 2,6% gekriegt, damit würde sie heute gar nicht in den Bundestag einziehen. Damals sind, ich glaub 8 Abgeordnete eingezogen, darunter auch Göring und, ähm, Goebbels. Adolf Hitler übrigens nicht, weil er zu dem Zeitpunkt noch, äh, österreichischer Staatsbürger war, konnte er noch nicht in den Reichstag reingehen. Das war ein Desaster für die NSDAP. Was haben sie gemacht? Eine Strukturänderung des braunen Hauses, eine „Scheinverbürgerlichung“, denn die relativ antisemitische A-, NSDAP, ich hätt fast gesagt AfD, NSDAP von 1928 hat gesagt: „Okay, wir müssen das einfach ein bisschen zurückstellen, um auch bürgerliche Schichten anzusprechen.“ Und sie hat mehr auf den Straßenkampf gesetzt. Wer sich mal mit der Geschichte der SA beschäftigt, der wird sehen, dass ab 1928 die SA, äh, ganz andere Strukturen annahm. Vier Jahre später, im Sommer 1932, gab es eine Wahl, da war die NSDAP stärkste Kraft. Monate später, 30. November, äh äh Januar 1933, wir kennen die Bilder alle, Adolf Hitler, am ähm, auf dem Balkon oder am Fenster der, ähm, Staatskanzlei – nein, wie hieß das denn – Reichskanzlei und die SA-Horden marschieren mit Fackeln an dem Führer vorbei. 2021, AfD, sieht auch gerade nicht so gut aus. Was wird in vier Jahren sein? Ich denke, die nächste Wahl, die in zwei Monaten stattfinden wird, wird für die AfD nicht entscheidend sein. Die Wahl danach könnte sehr interessant sein.
Da auch die These 16 [„Die AfD wird sich scheinverbürgerlichen.“] hab ich grad schon angesprochen.


[„Viele in der AfD sehnen sich nach Straßenschlachten.“], das kam glaub ich gestern auch nochmal in dem Fernsehbeitrag vor. Ja, ich habe sehr oft gehört: „Wenn wir erstmal an der Macht sind.“ Zu einem guten Freund mittlerweile, den ich auch jetzt wieder in meine neue Position mitgenommen habe und nachdem ich mit ihm schonmal ne Fraktion aufgebaut habe, jetzt nochmal was aufbaue außerhalb der Politik, hat ein hochrangiger AfD-Funktionär auch Abgeordneter – allerdings muss ich sagen im Suff – aber wie heißt es so schön „in vino veritas“, einmal gesagt: „Wenn wir an der Macht sind, hängst du an der ersten Laterne.“


These 18 [„Von einer braunen RAF droht eine große Gefahr.“]: Gehen wir jetzt mal aus, dass die vermeintlich bürgerlichen in der AfD gewinnen, die Oberhand gewinnen, dann haben die Völkischen ein Problem. Sie werden sich von der Position, die sie jetzt einmal erreicht haben nicht wieder abbringen lassen. Die Gefahr besteht, dass sie dann sich radikalisieren und, ich sagte schon es sind viele Nachrichtendienstler, es sind viele Soldaten, es sind viele dabei,  die das militärische Handwerk gelernt haben – das Gewalthandwerk gelernt haben – dabei und wenn die aus der Geschichte lernen oder die RAF als Blaupause nehmen, denn die RAF hat in den 80er Jahren, viele von Ihnen wissen das, doch er-, doch gehörig die Macht ergriffen, aber doch gehörig zu einer gewissen politischen Destabilisierung beigetragen in Deutschland. Und hier haben wir’s mit Experten zu tun. Den Bürgerstöchtern und, oder Pfarrerstöchtern und Bürgerssöhnen der RAF musste teilweise die STASI erstmal beibringen wie rum sie ein Gewehr halten. Einer braunen RAF, aus den Kreisen der AfD entstehend, da haben wir ganz andere Gewaltexperten.


[„Die AfD hat (noch) keinen Führer.“]: Gott sei Dank. Ich seh im Moment in der AfD keine charismatische Persönlichkeit. Weder Herrn Höcke, dessen charismatische Anziehung sicherlich nur auf gewisse Kreise wirkt, noch Götz Kubitschek, den skurrilen, etwas merkwürdigen Götz Kubitschek. Allerdings, in der AfD, habe ich grad auf der Referentenebene von den hochintelligentesten Referenten – und die gibt es, Schattenmänner -, studierte Leute. Zum Beispiel eine Ethnologin mit einem Doktortitel, die in Kannada studiert hat, einem, ähm, mit einem Marokkaner einen Sohn hat, mit dem in Mecklenburg-Vorpommern lebt und mit dem auch Französisch spricht. Sehr tief in der AfD-Szene drin. Sehr gut ausgebildet. Top Frau. Die kriegte feuchte Augen, wenn sie über Kubitschek sprach. Gerade diese Szene innerhalb der AfD, die Sub-Szene, ist es, die Kubitschek charismatisch halten. Das ist immer wieder erstaunlich. Allerdings hat der in weiten Kreisen überhaupt keine Bedeutung. Insofern, die AfD hat noch keinen Führer. Aber Sie wissen, charismatische Persönlichkeiten haben immer dann Hochkonjunktur, wenn wir in Krisensituationen sind. Im Moment sind wir, auch wenn Corona – vielen sagen, das ist ne Krise – wir sind in keiner Krise. Aber stellen Sie sich mal vor dieses Land gerät in eine Krise und dann kommt aus der AfD – okay.


These 10 [eigentlich gemeint These 20: „Eine Machtergreifung ist möglich.“] – und damit sind wir, bin ich durch – ich glaube, ich hab schon wieder viel zu lange geredet. Ich möchte damit schließen: Eine Machtergreifung ist möglich. Ich hoffe nicht, dass sie kommt. Eine Blaupause hab ich als Groteske geschrieben. Ich hoffe nicht, dass es so kommt. Aber ich sehe das Buch als Warnung und als Anregung sich damit auseinanderzusetzen, was kommen könnte. Denn das ist wichtig. Ich unterrichte und kümmere mich auch um Krisenkommunikation. Wenn ich da grade Studenten immer sage: „Mhm, wenn ihr Krisenkommunikation für ein Unternehmen, eine Organisation machen wollt, sucht euch die BILD-Zeitung der letzten drei Monate zusammen.“ Jetzt aus Scherz gesagt: „Kauft euch das beste Gras, was ihr beim Dealer eures Vertrauens kriegen könnt. Setzt euch zusammen, drei Tage, überlegt was kommen könnte und selbst das Unmöglichste haltet noch für möglich, das ist das Worst Case Scenario.“ In dem Roman beschreib ich ein Worst Case Scenario, aber man sollte darüber nachdenken, ob es nicht irgendwann kommen könnte. Damit bin ich durch.

Nader Mohamed (Berliner Kriminalitätszeitung):
Nader Mohamed, Berliner Kriminalitätszeitung. Herr Hirsch, wie gefährlich ist der Ausstieg aus dem AfD-Milieu für Sie? Sie werden jetzt das Image der Partei mitten im Wahlkampf schädigen. Wie bedroht fühlen Sie sich? Und können Sie uns auch das Dunkelfeld Kriminalität und AfD, also die Nazi-Szene, beleuchten? Gibt es dort keine Auftragsmörder oder haben Sie bis jetzt keine Briefe oder anonyme Telefonate erhalten? Wie bedroht fühlen Sie sich? Dankeschön.

Christian F. Hirsch:
Also, als ich 2016, ähm, 2017, nach der Bundestagswahl dann, ich sag mal die Fraktionsspaltung mitgemacht hab und auch son bisschen der Treiber war, obwohl ich kein Politiker war, ähm, da hat mir da mal ein Mitarbeiter aus dem Bundestag, der jetzt hier [unverständlich], und sagte, hat dann irgendwo fallen lassen, dass er mich kennt. Und da hat n hochrangiger AfD-Politiker gesagt: „Doch nicht der Hirsch, das ist der Teufel. Der hat, der hat, der Gehörnte. Ähm, also ich gehörte da zu der Zeit, weil ich eine, eine der großen Fraktionen mitgespaltet habe zu den Meistgehassten. Aber Angst hatte ich, Angst hatte ich nie. So. Und auch, auch jetzt nicht. Ja, mir haben welche gesagt da kommt zwar was und dergleichen, aber ich glaube fest noch an unsere Demokratie und auch an die wehrhafte Demokratie und, äh, wenn mir was passiert, glaub ich immer noch an die Rechtsverfolgungsbehörden und die staatlich- also die Poli-Polizei. Und wenn muss ich damit, muss ich damit leben. Das hab ich–, da hab ich Ihre Frage jetzt aber nicht komplett beantwortet. Das Dunkelfeld.

BKZ:
Genau. Die Kriminalität. Haben sie Kontakt zu Auftragsmördern oder können sie jemanden ausschalten oder sind sie noch nicht so gefährlich? Oder doch?

Hirsch:
Das wäre Spekulation, darüber zu, darüber zu reden. Also, ich war nie im kriminellen Milieu der AfD. Das möchte ich, ja, das möchte ich- habe das, ähm äh—

BKZ:
Aber als ZP können Sie das sein – Zielperson.

Hirsch:
Ja, damit muss ich leben. Damit muss ich seit gestern 18 Uhr leben.

Interview geführt von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Annabell Cassel

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