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18/12/2024
HomeBerlinWie betreibt Russland seine Propaganda? Dietmar Pichler, der Gründer von „Disinfo Resilience Network Vienna“ antwortet.

Wie betreibt Russland seine Propaganda? Dietmar Pichler, der Gründer von „Disinfo Resilience Network Vienna“ antwortet.

Dietmar Pichler, Gründer von „Disinfo Resilience Network“

Vitsche e.V. https://vitsche.org/ , The Kyiv School of Economics https://kse.ua/ und Arta Azi, Center for Cultural Projects https://artaazi.org/ veranstalteten am 07.12.2024 die Konferenz „Truth to Justice“ https://truth-to-justice.org/en/conference#program im Silent Green Kulturquartier in der Gerichtstraße 35, 13347 Berlin https://www.silent-green.net/ .

Auf dieser Konferenz versammelten sich ca. 200 Journalisten, Akademiker und Künstler für den Austausch neuer Kenntnisse, um neue gemeinsame Strategien für die Bekämpfung der russischen Propaganda zu entwickeln. Die zwei Kernthemen der Konferenz waren:
Propaganda und kognitive Resilienz: Untersuchung der Art und Weise, wie die kulturellen und historischen Kontexte die Desinformation bilden und die Aufdeckung der Rolle der Memes und der narrativen Manipulation in dem modernen Hybridkrieg.
Moderne Instrumente der Desinformation: Untersuchung der Taktiken der digitalen Ära, wie die Algorithmen der sozialen Medien, die psychologischen Operationen (PSYOP) und die Strategien der russischen Öffentlichkeitsarbeit (PR), und ihr Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung.
Am Rande der Konferenz hatte die Berliner Kriminalitätszeitung (BKZ) die Gelegenheit, das folgende Interview zu führen.

BKZ: Guten Tag. Wer sind Sie und was machen Sie heute hier?

Pichler: Mein Name ist Dietmar Pichler, ich bin Gründer des „Disinfo Resilience Network“, das ist eine Organisation, die Experten/Expertinnen aus unterschiedlichen Bereichen vernetzt und sich mit dem Thema „Foreign Interference“ aber auch „Subversion“ und Propagandaeinflüsse von autoritären Staaten beschäftigt. https://www.disinforesilience.eu/

Und ich bin heute hier bei der Konferenz, um über das Thema „active measures“ zu sprechen, also die ganz traditionelle sowjetische Einflussnahme, die sich nicht mit dem Internet befasst hat, und welche neuen Dinge da dazugekommen sind. Also vor allem Einflussagenten sind ein Thema, mit dem ich mich beschäftige, also Leute, die mit oder ohne Bezahlung sich dazu entschlossen haben, die Narrative eines autoritären Regimes zu verbreiten, bzw. für dieses Regime zu lobbyieren und das aber verdeckt machen, oder pseudo-verdeckt. 

BKZ: Wie gefährlich sind Propaganda und Desinformation in der Zeit des Krieges?

Pichler: Natürlich besonders gefährlich, weil es gibt diesen uralten und irgendwie auch ein bisschen dummen Spruch „Im Krieg, da stirbt die Wahrheit zuerst“. Und es ist natürlich schon so, dass wenn man jetzt z.B. von Nachrichten auf dem Schlachtfeld, gerade in Zeiten von Social Media und so Schnellnachrichtendiensten oder Kurznachrichtendiensten, dass man da immer vorsichtig sein muss. Es entsteht dann aber auch leicht diese falsche False Balance oder Bothsidesism, wo man dann tatsächlich das Opfer und den Angegriffenen gleichsetzt, was sehr gefährlich ist. Oder eine falsche Vorstellung vom Picture eines Krieges hat, der wo so eindeutig ist, ja, wie im Falle der russischen Invasion, wer der Täter ist und wer das Opfer.

BKZ: Wie betreibt Russland seine Propaganda gegen die Ukraine, also eine Propaganda finanziell, oder durch Verwaltung, durch Rekrutierung von Kollaborateuren im Ausland, also Internet, Soziale Medien, TikTok oder Gehirnwäsche. Was können Sie uns über die Betreibung der russischen Propaganda sagen?

Pichler: Also, das ist ein sehr vielschichtiges Modell, das Russland hier betreibt. Es gibt einmal die ganz offene Propaganda, wenn der Lawrow oder der Putin wieder vors Mikrofon treten und leider unsere Medien das oft ohne Kontext abdrucken oder weiter verbreiten. Dann gibt’s die Trollfarmen, die zwar eigentlich  eine verdeckte Propaganda sind, weil die Russen ja das nicht zugeben, dass das ihre Profile sind, aber gleichzeitig sehr offene Propagandanarrative, Zerrbilder oder die Rechtfertigung der  Invasion verbreiten. Und dann gibt’s die subtile Einflussnahme, die ich am gefährlichsten finde, wo Narrative verbreitet werden, die nicht so leicht eingeordnet werden können, wie z.B., dass die NATO da  provoziert hätte oder Russland ja seine Sicherheitsinteressen verfolgt, also diese Picture-Narrative, die fälschlich auch dann im Westen in vielen Fällen von Akademikern verbreitet werden, von denen auch auf den Universitäten so manche dann ideologische Gründe, manche vielleich sogar bezahlt sind aus Russland oder von vergleichbaren Regimes. Und das ist dann wieder ein Problem, was wir haben, dass wir, wenn wir über Desinformation sprechen, stereotyp sehr schnell auf Social Media kommen, was ohne Frage das Hauptschlachtfeld ist, gleichzeitig aber bei allen anderen Kanälen, die traditionell Moskau nutzt  –  damals wie heute – unser Schild nicht hochheben, sozusagen, und ungeschützt der Propaganda ausgeliefert sind oder sie vielleicht sogar weiterverbreiten.

BKZ: Wie finden Sie den Umgang mit Russland im deutschsprachigen Raum?

Pichler: Na ja, ich würde sagen, dass der deutschsprachige Raum, also für die westliche Welt, unterdurchschnittlich professionell damit umgeht. Besonders wenn man sonst unser zivilisatorisches Niveau sieht, dann haben wir darauf nicht in der ausreichenden Komplexität reagiert. Also das heißt, wir haben einen sehr oberflächlichen Diskurs, was diese Einflussnahme betrifft, und halten sehr an alten Narrativen fest. Wir halten auch an diesen Wandel-durch-Handel-Ideen fest, z. B., und an falschen friedensbewegten Thesen, die einfach nur dem Aggressor nutzen und die auch nur einseitig das Opfer zum Aufgeben zwingen wollen und nicht den Täter in die Schranken weisen. Also da gibt’s sehr, sehr viele Dinge, die man einfach ansprechen wollte und da fehlt die Dynamik im Diskurs, im Gegenteil, der Diskurs geht eben vermehrt in eine falsche Richtung und was… ja, auch ganz klar ist: Es fehlt die Aufarbeitung von dem, was 2014 passiert ist, weil 2014 hat Russland nicht nur die Krim annektiert, das ist ja etwas, was wir zumindest erkannt haben, sondern Russland hat auch einen verdeckten oder pseudo-verdeckten Krieg im Donbass gestartet, in der Ostukraine.

BKZ: Was können Sie uns über die Wachsamkeit der Bevölkerung sagen oder die Sicherheitsbehörden, Geheimdienste, Zivilgesellschaft oder Akademiker bei dem Thema „Russische Propaganda und ihre Narrative“?

Pichler: Also die Einblicke, die ich habe, und ich möchte jetzt keine Länder per se nennen, sondern den kollektiven Westen, ne, ich hab’ jetzt auch diesen russischen Begriff… (lacht), also, was ich in den westlichen Ländern beobachtet habe, ist, dass das Thema „Desinformation“, russische Einflussnahme, Foreign Interference, eigentlich in der gesamten westlichen Welt sehr, sehr auf den Cyberraum beschränkt ist im Diskurs. Das halte ich für problematisch. Sehr wenige Expertinnen und Experten schauen sich offline-Operationen und diese klassischen Einflussagenten etc. an. Und wenn man dann in die Sicherheitsbehörden geht und die Sicherheitsdienste, die machen sich große Sorgen über Personen, die Informationen nehmen und herausnehmen aus unserer Gesellschaft, sprich: Spionage, also geheime Informationen nehmen, um einen Schaden zu verursachen, indem sie gestohlen werden, aber sie machen sich keine Sorgen über toxische Informationen, also Propaganda-Narrative oder Desinfo, die in unssere Gesellschaft ja eingebracht werden, also fühlen sich viele Sicherheitsbehörden einfach auch nicht zuständig.

BKZ: Letzte Frage: Kann man sagen, Putin hat Erfolg mit seiner Propaganda? Im Westen sehen wir die AFD und das BSW in Ostdeutschland, in den Neuen Bundesländern, oder in Frankreich, in Italien. Also alle diese Rechtsradikalen sind sicher und Putin unterstützt sie und sie haben Erfolg, oder?

Pichler: Also ich bin der Meinung, dass man natürlich nicht ganz genau messen kann, wieviel von deren Erfolg geht auf russische Einflussnahme zurück, dass wir aber schon sehen können, was die russischen Narrative sind und die, die den Informationsraum beeinflussen und wenn wir eine gewisse öffentliche Meinung haben, dann gibt’s auch Parteien, die mehr oder weniger von diesen Meinungsbildern profitieren, bzw. wo das kompatibel ist, ja? Und das sind natürlich Rechtspopulisten und Linkspopulisten haben ein Anti-NATO-Narrativ z. B., und wenn ich das jetzt in der Bevölkerung sehr stark verankere, dann profitieren diese Parteien mehr oder weniger davon. Also, da bin ich überzeugt davon.

BKZ: Vielen Dank für Ihre Zeit.

Das Interview wurde von Mag. phil. Nader Mohamed geführt
und von Kirsten Mische verschriftet

From forged documents to AI: how psyops have evolved and which traditional KGB tools are still used by Russia and its allies today https://truth-to-justice.org/en/speaker/dietmar-pichler

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