BKZ: Herr Dr. Christian Moser. Wer ist Herr Dr. Christian Moser? Wenn man guckt in Google, Wikipedia würde zwölf Personen vorschlagen. Ich würde gerne von Ihnen hören zu Ihrer Vita, über Kindheit, Schule, Jugend, Bildung, Karriere, so allgemein über Herrn Christian Moser. Wo sind Sie geboren und wann, wenn Sie sagen möchten?
Moser: Ja ich bin in Österreich in Niederösterreich geboren und in Puchberg am Schneeberg aufgewachsen es ist ein kleines Alpendorf, 80 km südlich von Wien, bin dort groß geworden, bin dann zur Schule gegangen.
BKZ: Welche Schule ist das, wie heißt sie?
Moser: Das war das Stiftsgymnasium Seitenstetten und bin dann nach Wien gegangen in eine Textilhandelsakademie, habe dort mein Abitur abgelegt und habe dann zu studieren begonnen. Nebenbei habe ich sehr viele Nebenjobs gemacht, zum Lagerarbeiter bis zum Sanitäter neben meinen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer, dort was ich Sanitäter. Dort habe ich meine Ausbildung als Krankenpfleger und Notfallsanitäter gemacht und bin dann… habe dann ein Assessment-Center während meines Studiums Politikwissenschaft und Kommunikationswissenschaft…
BKZ: In Wien?
Moser: In Wien.
BKZ: Okay
Moser: Habe dann ein Assessment-Center beim ORF gemacht, und bin dann so in den ORF reingerutscht, habe dort eine wunderbaren Zeiten, habe für fast alle Sender gearbeitet, war dann Chef von Radio Wien, zum Schluss dann auch Chef vom Fernsehen der Hauptnachrichtensendung „Zeit im Bild 2“ und habe mich dann aber entschieden, als Unternehmer tätig zu werden, hab quasi die Fronten gewechselt und habe dann meine Firma aufgebaut, die einerseits große Unternehmen oder Unternehmensführer betreut und auf der anderen Seite Politik.
BKZ: Diese Firma ist in Deutschland oder in Wien?
Moser: Die ist in Wien. Jetzt bin ich ganz in Wien, zehn Jahre war ich in Wien und Berlin, aber in Corona Zeiten habe ich dann entschieden, ich wähle nur noch einen Standort, weil ob ich jetzt in Berlin bin oder nicht, wenn ich in Deutschland arbeite, das kann ich von Wien aus genauso machen. Ob ich von Berlin nach Frankfurt fliege oder nach Stuttgart oder von Wien, ist egal.
BKZ: Wie ist Ihre berufliche Beziehung zu Deutschland entstanden, wann ist das angefangen und wann haben Sie Fuß in Deutschland gefasst?
Moser: Ja, das war … vor zehn Jahren bin ich nach Deutschland gegangen und bin dann sozusagen langsam in … da hereingerutscht auch in die politische Szene und habe dann einfach viele Spitzenkandidaten gecoacht und Wahlkämpfe betreut auf der einen Seite, aber auch große Wirtschaftsunternehmen betreut. Mach ich nach wie vor.
BKZ: Ich habe gelesen, Sie waren
Wahlkampfberater für Spitzenpolitiker, möchten Sie uns diesen Punkt beleuchten? Was macht ein Wahlkampfberater, was haben Sie gemacht?
Moser: Naja, in erster Linie coache ich meistens die Spitzenkandidaten und mach die …versuche auch die Strategie des Wahlkampfs mitzubestimmen, das ist unterschiedlich. Das kommt auf den Wahlkampf drauf an, ich war schon wirklicher Wahlkampfleiter, also quasi im Bergwerk, wo ich wirklich den Wahlkampf geleitet habe, die Kommandos ausgegeben sozusagen als General, ich kann aber … ich bin aber auch manchmal nur begleitend, dass ich mich ausschließlich auf den Spitzenkandidaten konzentriere und schaue, dass der bestmöglich seine Dinge auf den Boden bringt.
BKZ: War die Arbeit harmonisch mit Ihren anderen Kollegen, oder treffen da zwei Welten frontal aufeinander?
Moser: Ja, meistens treffen dort zwei Welten. Ich bin natürlich ein Außerirdischer, der plötzlich da in diesen Planeten landet und sehr oft ist es so, dass man mich mit großen Augen und Verwunderung anguckt.
BKZ: Sie hatten immer irgendwelche merkwürdigen Ideen, oder etwas ganz Neues und die Leute müssen fragen, was er will.
Moser: Ja manchmal glauben sie, der ist ein wenig „crazy“ ja das ist ein Ösi, der ist nicht ganz dicht, aber am Ende des Tages versuche ich dann immer zu schauen, dass ich diese zwei unterschiedlichen Standpunkte oder Gefühlsebenen zueinanderbringe.
BKZ: Und die Leute, mit denen Sie zusammengearbeitet haben – waren manche von ihnen beratungsresistent, sie blockieren Ihre Ideen, oder sagen sie „Ok, das ist toll, so machen wir das“?
Moser: Es gibt solche, es gibt alles, es gibt einen breiten Fächer. Also da gibt’s welche, die sind total offen und nehmen alles an, und dann gibt es welche, die sind beratungsresistent, da muss man dann nur die Konsequenzen daraus ziehen und sagen, „Okay,wenn’s nicht geht, dann muss ich halt aussteigen“, es geht nicht anders.
BKZ: Man kann sagen, Ihr Herz schlägt in zwei Ländern, Deutschland und Österreich, Sie kennen sich mit beiden Welten sehr gut aus. Was kann Deutschland von Österreich lernen? Was gibt es Gutes in Österreich, was Sie Politikern vorschlagen können, dass sie es in Deutschland umsetzen wollen? Also in Ihrem Buch [Anm. der Redaktion: Moser, Christian. Unter Deutschen ⸻ Deutsch-Österreichische Hass-Liebes-Geschichten. 2021. Wien] gibt es viele gute Ratschläge, ich werde nur ein Beispiel erwähnen, es geht um „Section Control“, also um Abschnittkontrolle, z.B. Sie empfehlen das hier, Sie haben so tolle Ideen in diesem Buch auch, was können Sie uns sagen, was sollen die deutschen Politiker von Ihrer Erfahrung lernen?
Moser: Ich würde mir wünschen, dass deutsche Politiker flexibler werden oder überhaupt ihren Sichtradius etwas erweitern und auch über die Grenzen hinwegschauen. Ich hab .. z.B. gestern haben wir diskutiert und ich habe ein Beispiel genannt. Wenn Sie heute sozusagen eine E-Mail bekommen und eine Signatur und Sie drücken drauf, um diese Nummer einzuspeichern, dann werden Sie in Deutschland kaum einmal es vorfinden, dass die Ländervorwahl davor ist. Das heißt, wenn Sie nicht in Deutschland leben, und Sie drücken … Sie wollen diese Nummer abspeichern, können Sie nicht abspeichern, weil die Ländervorwahl nicht drauf ist,d.h. Sie können nicht von Österreich, aus der Slowakei, aus Polen, aus Holland, aus Frankreich einfach anrufen, sonst müssen Sie dann wieder kopieren, runterziehen und die Ländervorwahl 0049 vorwählen, d.h. das ist bei Hotels so, das ist aber bei allen überall im beruflichen Kontext und das passiert mir nur in Deutschland, das passiert mir sonst in keinem anderen Land.
BKZ: Ein anderes Beispiel war mit EC-Karten.
Moser: Ja.
BKZ: Wollen Sie uns etwas sagen über die deutsche EC?
Moser: Ja, so ist es mir passiert, dass ich lernen musste, dass eine EC-Karte zwar auf der ganzen Welt funktioniert, nein egal wo auf allen Kontinenten, außer in Deutschland.
BKZ: Warum nicht?
Moser: Weil du dann gefragt wirst „Entschuldigung, ist das eine deutsche EC-Karte?“ Und ich frage dann „Was ist eine deutsche EC-Karte? Was ist das, wie sieht die aus?“ Weil EC-Karten sehen auf der ganzen Welt gleich aus. „Naja, eine Karte bei einer deutschen Bank“, „Nee, es ist eine Karte einer österreichischen Bank.“ „Nee, dann können Sie nicht bezahlen“.
BKZ: Warum nicht?
Moser: Weil offensichtlich verschiedene … vor allem in der Gastronomie passiert ist, aber auch im Einzelhandel. Weil die offensichtlich dies mit den Banken haben: Wenn man bei der deutschen Bank eine EC-Karte hat, zahlt man weniger Gebühren. Das ist der offensichtliche Hintergrund… habe ich nur in Deutschland erlebt, sonst nirgendwo, tatsächlich nirgends, weder in Asien, noch in Amerika, noch in Neuseeland, noch in Kamtschatka in Russland, vollkommen egal. Ich konnte überall zahlen, außer in Deutschland.
BKZ: Und wie ist es mit der Digitalisierung, z.B. erzählen Sie uns etwas über Ihre Erfahrung über Steuerberatung und Betriebsüberprüfungen, alles Mögliche … wie ist es in Österreich, und wie ist es in Deutschland?
Moser: Ja, ich bin tatsächlich aus Österreich geflüchtet, weil ich geglaubt habe, die Bürokratie in Österreich macht mich wahnsinnig. Seitdem musste ich Abbitte leisten, weil was ich hier in Deutschland erlebt habe, ist noch weit schlimmer. Äh, ich habe in meinem Leben noch nie so viele Formulare – nämlich unnütze Formulare – ausgefüllt, unnütze Papierberge angesammelt. Da habe ich gesagt „Ich brauche das alles nicht, wozu ist das?“ Das kann mir keiner erklären, das ist einfach so und es muss noch eine und es muss noch eine Ablage und es muss noch eine Kopie, und es muss noch etwas hinterlegt werden und das muss nochmal ausgedruckt werden, du wirst einfach wahnsinnig irgendwann. Und das hat mich dazu bewogen, sozusagen tatsächlich alles nach Österreich auch zurückzuführen, auch noch als ich meine Firma hier hatte, weil z.B. in Österreich der gesamte Ablauf, betriebliche Ablauf, Steuerberater, Finanzamt ist alles digital.
BKZ: Seit wann?
Moser: Seit 2017 alles, und da ist Österreich kein Spitzenreiter, also wenn wir skandinavische Länder … da brauchen wir gar nicht drüber reden. Und ich habe da mit meinem deutschen Steuerberater drüber gesprochen, der sagt, wir werden das nicht erleben, dass es in Deutschland irgendwann digital ist. Und man sieht es ja bei den diversen Apps, es funktioniert alles nicht, weil alles dermaßen verkompliziert wird, dass man nichts auf den Boden bringt.
BKZ: Und der Datenschutz in Österreich ist auch so schlimm wie in Deutschland? Weil manchmal sagt man in unserem Bereich (Kriminalitätsbekämpfung), Datenschutz kann zu Täterschutz führen. Sind Sie auch einverstanden mit diesem Satz?
Moser: Ich … ja, das sehe ich auch so. Datenschutz ist für mich die beste oder schlimmste Ausrede in Deutschland. Es ist ein „Totschlagargument“. Es wird immer mit „Nein, es geht deshalb nicht, weil Datenschutz“ und am Ende des Tages ist mir auch schon passiert, dass es leider in die Richtung geht, dass es Täterschutz wird, ja.
BKZ: Sie kennen sich gut aus mit dem Parteiensystem in Österreich, sicher – Ihr Heimatland – und hier auch in Deutschland, aber warum die FPÖ in Österreich Erfolg hat … hatte und konnte mitregieren und hier die AfD hat diesen Erfolg gar nicht. Also wenn Sie auf die Präsidentenwahl in Österreich gucken, sehen Sie, dass Norbert Hofer hat fast alle Landkreise, nur die großen Städte hat er nicht. Alles ist blau, nur die großen Flecken sind grün und dann kam der Präsident Van der Bellen. Hier in Deutschland die AfD nur in zwei Bundesländern, um die Ecke so in Ostdeutschland, warum akzeptieren die Österreicher die FPÖ an der Macht und die Deutschen die AFD nicht, obwohl beide diese Nazi-Ideologie haben, ungefähr?
Moser: Da muss man weit in die Vergangenheit gehen, die AfD ist ein relativ neues Phänomen, sprich, die AfD ist erst vor ein paar Jahren aufgetaucht. Die FPÖ ist aus der zweiten Republik, also nach dem zweiten Weltkrieg, in Österreich nicht wegzudenken und in der FPÖ gab es lange den Kampf zwischen „In welche Richtung gehen wir? In die liberale Richtung, also Richtung FDP, d.h. die FPÖ war sehr lange auch Teil der..
BKZ: Der österreichischen FDP.
Moser: Ja, es gab dann auch sogar einen Vizekanzler, den Norbert Steeger, der eher den Liberalen, und gegen den hat dann Jörg Haider geputscht, der Nationale Flügel, und Jörg Haider ist, wenn Sie so wollen, der „Godfather“ der Populisten, also Jörg Haider hat Populismus salonfähig gemacht und von da aus ging’s dann in ganz Europa los mit dem Populismus. Und Jörg Haider hat natürlich die (FDP?) zu einer, wie er auch gesagt hat „Bewegung“ gemacht, was die AfD jetzt auch ist. Oder Sie können auch egal in welchen Ländern Europas schauen: Das Vorbild war sehr oft Jörg Haider und dessen FPÖ. Und das darf man nicht vergessen, d.h. die FPÖ gibt es immer schon, es gibt diese Flügel und Haider hat sie dann wirklich hinaufgepusht, dass sie dann wirklich in … bis zur zweitstärksten Partei in Österreich.
BKZ: Kann man sagen, dass Deutschland Glück hat, dass wir haben keinen charismatischen Führer für die AfD, sonst wir haben ein großes Problem hier in Deutschland mit Regieren und so?
Moser: Dieser These würde ich sehr wohl zustimmen, d.h. hätte man einen … eine charismatische Führungsfigur à la Jörg Haider, hätte die AfD ganz andere Ergebnisse.
BKZ: Und wie sieht es jetzt aus mit Sebastian Kurz in Österreich?
Moser: Der Österreicher würde immer sagen „schaun mer mal“. Naja, es tauchen halt immer wieder neue Leaks auf und es gibt da diese Chats, die einfach … Stichwort „Datenschutz“, die….
BKZ: Ah, kommen wir wieder zum Datenschutz?
Moser: Ja, die durchgedrungen sind, die in den Akten sind und die Staatsanwaltschaften ermitteln und zwar sehr intensiv. Und ja, ich glaube, dass wir noch nicht am Ende der Fahnenstange sind und es ist abzuwarten, inwieweit sich diese Verdachtsmomente verhärten oder auch nicht. Auf jeden Fall ist das Bild, das die österreichische Politik oder ja, Sebastian Kurz und seine Entourage, derzeit abgeben, ist natürlich keins, das sehr schön ist.
BKZ: Haben sie dort auch Lücken im Gedächtnis, und sie wünschen, alle Nachrichten und SMS zu löschen wie die deutschen Politiker hier? Gibt es dort auch die, die sagen „Ich habe das vergessen, ich kann mich nicht erinnern“ und sie löschen die SMS und so?
Moser: Ja, das können die österreichischen Politiker nicht sagen, weil die SMS gibt es. Die wurden einfach ausgewertet, sie wurden zwar gelöscht, aber sie wurden ausgewertet. Und das ist halt blöd. Man könnte sagen „Habe ich vergessen“, aber es ist halt so. Also hier in Österreich, wenn Sie jetzt vergleichen mit Olaf Scholz, der ja sehr große Gedächtnislücken hat von diversen Dingen, das geht in Österreich deshalb nicht, weil man vorlegt, „Ja, aber Sie haben damals… oder Ihnen hat der Herr X oder Herr Y das geschrieben und Sie haben so geantwortet“. Ist ne andere Ebene, d.h. da muss man das so reframen, dass man sagt „Naja, das ist aus dem Zusammenhang gerissen“ und Sonstiges, ja? Ich will dazu auch nichts mehr sagen, es gibt natürlich die Unschuldsvermutung, aber da kommt noch einiges. Weil, da wurden meines Wissens sehr, sehr, sehr viele SMS ausgewertet.
BKZ: Ok, vielen, vielen Dank für Ihre Zeit.
Moser: Danke.
Interview geführt von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Tilo Nottebrock