Nader Mohamed (Berliner Kriminalitätszeitung):
Ich habe nochmal eine Frage zu den Universitätskliniken. Ich habe die Mediziner gefragt und sie haben mir gesagt: Momentan gibt es bei uns keine Hospitationen, keine Praktika aufgrund der Coronakrise. Manche haben mir das gesagt. Können wir später mit Personalmangel rechnen, aufgrund dessen, dass jetzt keine neuen Ärzte ins Team einsteigen? Oder wie sieht es aus, durch das ausfallen der Praktika und Hospitationen der jüngeren Mediziner?
Anja Karliczek (Bundesministerin für Bildung und Forschung):
Naja, also, wir haben ja jetzt gerade bei der Medizinerausbildung schon auch alles dafür getan, dass trotzdem die, die schon drin waren, ihre ihr ihr Praktisches Jahr weitermachen konnten. Und wir sehen natürlich, dass das nicht mehr ganz so einfach ist überall neu einzusteigen. Das haben wir in allen Bereichen gesehen, wo es um praktische Ausbildungsabschnitte ging. Aber grundsätzlich glaube ich, dass n Teil davon nachgeholt werden wird, die jungen angehenden Ärzte müssen ja ihr Praktisches Jahr machen und da werden wir dann vielleicht an der Stelle nen kleinen Nachholeffekt sehen.
Prof. Dr. Stefan Schreiber (Direktor der Klinik für Innere Medizin und des Instituts für Klinische Molekularbiologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein):
Ich darf vielleicht ergänzen, dass die, äh, Landesverordnung zur universitäts-medizinischen Ausbildung, auch zur Hochschulausbildung generell, schon Stück weiter sind. Vielleicht red ich jetzt nur für Schleswig-Holstein, weil dass die Einzige, die ich hier detailliert kenne, aber der praktische Unterricht ist bereits seit längerem, mehreren Monaten, unter entsprechenden Sicherheitsbedingungen wieder möglich und wird auch durchgeführt. Was nicht durchgeführt wird, sind Massenveranstaltungen, also Hörsaal, wo die Menschen einfach zuhören. Aber wenn Sie sich die Realität eines Hörsaals in der Medizin mal ansehen, dann haben Sie ein Semester von 360 Leuten, aber in dem Hörsaal sitzen maximal nur 90. Wo sind denn die anderen? Die haben bereits früher sich die Scripts geholt und die Dias geholt, was immer ne zweite Wahl war und was wir als Hochschullehrer nicht gut fanden. Durch Covid haben wir jetzt einen Innovationsschub in diesem Land gehabt, den wir in der Tat auch gebraucht haben, der hoffentlich noch viel weitergeht, was die Inklusion von Menschen angeht, die nicht teilnehmen können oder wollen. Ja, das betrifft alle möglichen Leute, von Teilzeit bis zu Studierenden, die eben zu Hause sitzen. Ähm, dadurch, dass wir jetzt tatsächliche vernünftige Broadcaststrukturen haben, vernünftige Videokameras haben, vernünftige Mikrofone haben, das auch flächendeckend ist, das auch hoffentlich noch zunimmt, sind wir endlich in der Lage dann auch so etwas wirklich virtuell durchzuführen. Wahrscheinlich reicht das auch. Wahrscheinlich reicht das. Wahrscheinlich ist das auch besser für die Menschen, um sich konzentrieren zu können.
Karliczek:
Für die praktischen Teile im Studium hab ich immer wieder gehört, dass gerade auch bei den Laboren dann die Laborzeiten auch zum Teil ausgeweitet wurden sind. Dass man geguckt hat, kann man das irgendwie, ich sag mal noch mit, äh, Lehrpersonal noch bestücken, dass man dann gesagt hat, wir nutzen eben unsere Labore länger und teilen eben die Gruppen und so. Also, da hat ne Menge praktische Ausbildung trotzdem stattgefunden unter Hochsicherheitsbedingungen. Also, insofern, das muss man sich mal angucken inwieweit da dann etwas nicht stattgefunden hat, aber wir sehen gerade in vielen praktischen Bereichen, dass son kleiner Nachholschub jetzt kommt, wo die Erleichterungen überall greifen, wo übrigens auch Modellpro-, wo auch Hochschul- und Universitätsmedizin wahrscheinlich in Modellprojekte miteinbezogen werden, um da noch was möglich zu machen, was vielleicht im letzten Jahr nicht so überall geklappt hat.
Moderation:
Frau Dr. Reißhauer.
Dr. med. Anett Reißhauer (Leitung des Arbeitsbereich Physikalische Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin):
Ja, also die Befürchtung, ich sprech jetzt, ich sprech jetzt für die Charité, die Befürchtung, dass wir n Personalmangel bekommen, weil wir nicht ausbilden konnten, den kann ich nicht teilen. Wir haben enorme Anstrengungen unternommen, um den Unterricht, da wo es möglich war zu digitalisieren. Das hat einen enormen Schub gegeben. Wir wären sonst nicht an der Stelle ohne Corona, muss man sagen. Also, da ist alles in Bewegung gesetzt wurden, um die Lehre so gut als möglich durchzuführen und natürlich gab es Zeiten, wo wir nicht wie üblich mit, äh, fünf oder vier Studenten am Patientenbett stehen konnten. Äh, das ist in Teilen wieder möglich unter den entsprechenden Schutzmaßnahmen, aber es ist ganz viel abgefangen wurden durch die virtuelle Kommunikation.
Prof. Dr. Schreiber:
Also, wo der Kollege sicher Recht hat, ist, dass die Internationalisierung darunter gelitten hat. Also, wir haben weniger Hospitationen aus anderen Ländern gehabt, dieser interkulturelle Austausch, von dem auch Europa lebt, dass wir also nicht sozusagen Barrieren haben wollen im Bereich vom Gesundheitssystem, die ja an Landesgrenzen auch orientiert sind, wir viel für getan haben, dass Menschen auch rüberkommen und sich austauschen in den Semesterferien, andere Systeme sehen und lernen, das hat natürlich gelitten. Das beginnt jetzt aber europäisch auch wieder, weil ja nun mittlerweile die Reisefreiheit auch wieder da ist und ich hoffe das kann durchgehalten werden. Ich hoffe, dass wir diesen Sommer alles in Platz haben für den nächsten Winter, vielleicht wieder n bisschen mehr passiert.
Karliczek:
Und für internationale Studien haben wir uns schon frühzeitig mit dem Auswärtigen Amt zusammengesetzt, dass die vereinfachte Möglichkeiten auch hatten, äh, ins Land zu reisen um ein Studium aufzunehmen. Also, wer das geplant hatte, musste eben das jetzt nicht alles nachweisen, sondern kriegt, kam auf den Stapel sozusagen oben drauf, dass er eben ne Einreisegenehmigung kriegt, um sein Studium aufzunehmen.
Interview geführt von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Annabell Cassel