Prof. Dr. Martin Gornig, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
BKZ: Warum waren Sie heute im Haus der Bundespressekonferenz?
Gornig: Wir haben das Gutachten zur Gemeinschaftsdiagnose vorgestellt.
BKZ: Und wie sieht es in den nächsten Quartalen aus?
Gornig: Es sieht eigentlich ganz gut aus. Der Aufholprozess sozusagen ist etwas ins Stocken geraten, aber wir sehen doch große Dynamik gerade fürs nächste Jahr, sodass eigentlich die Krise in 2022 dann ökonomisch zumindest ein Ende gefunden haben müsste.
BKZ: Wir sind momentan noch von der Energiekrise betroffen. Die Preise sind super hoch.
Gornig: Ja, das ist so, dass sich Krisen gegenseitig bedingen. Also zunächst einmal sind mit der Corona Krise die Kapazitäten runtergefahren worden. Die Energienachfrage ist gesunken und doch jetzt für alle relativ erstaunlich schnell wieder gestiegen, das heißt auch für die energieproduzierenden Sektoren kam jetzt diese Nachfrage relativ überraschend, sodass das jetzt leicht ein Teil der Normalität ist.
BKZ: Bis wann bleibt Deutschland energiearm?
Gornig: Das ist schwer zu sagen. Wenn irgendwann mal die erneuerbaren Energien soweit hier produziert werden, dann gibt es auch eine höhere Unabhängigkeit.
BKZ: Wenn man ein Windrad bauen möchte dauert das 4 bis 5 Jahre aber die Welt wartet nicht auf uns oder?
Gornig: Nein ganz bestimmt nicht, aber auf der anderen Seite muss man auch die verschiedenen Energieträger angucken, da sind auch teilweise sehr spezielle Marktentwicklungen. Beispielsweise beim Erdgas gibt es unterschiedliche Preisentwicklungen in den USA und Europa. Wir haben auch mit Russland einen großen Anbieter, der preisbestimmend ist. Also wir werden sehen, das ist sicherlich ein Problem, aber ein Problem das man lösen kann.
BKZ: Ein großes Problem momentan ist die Dekarbonisierung und der Klimaschutz. Man kann nicht alles nur vom Erdöl und Erdgas abhängig machen.
Gornig: Nein ganz bestimmt nicht, aber auf der anderen Seite wird das ein Prozess oder muss das ein Prozess bleiben und gerade Gas ist ja ein favorisierter Energieträger auch gerade für diesen Übergang.
BKZ: Ist es nicht gut für die Konjunktur, dass man viel in die Infrastruktur investiert und die Notbremse etwas auflockert, denn die Projekte werden immer teurer. In Stuttgart begann das Projekt mit 4 Milliarden und ist jetzt bei ungefähr 10,4 Milliarden Euro.
Gornig: Ja, da müssen Sie nicht soweit schauen in Berlin haben wir auch einen Flughafen gebaut, der ist auch teurer geworden. Es ist sicherlich immer so, dass solche Konjunkturprogramme auch genutzt werden müssen, um langfristig interessante Projekte in Gang zu bringen.
BKZ: Ein anderer Faktor zu erwähnen ist das Rentensystem. Deutschland hat ein demografisches Problem. Es gibt weniger Erwerbstätige und viele Rentner, das schluckt viel vom Budget?
Gornig: Also erstmal muss man sagen dieses Problem ist nicht so typisch deutsch. Es ist ein globales Problem. Wir haben viele Länder, die einen höheren Anteil von alten Menschen haben. Es wird überall nach Lösungen gesucht. Es ist so das natürlich, dass die kurzfristigen Entwicklungen manchmal langfristig nicht wirklich tragfähig sind. Sicherlich ist es so, dass wir vor allen Dingen daran denken müssen, wenn wir zukünftig unseren Konsum auch für ältere Menschen erhalten wollen, dann müssen wir investieren in unsere Ökonomie und das beides zu verbinden ist natürlich eine kluge Idee. Also sozusagen kapitalgedeckte Rentenvorsorge ist sicherlich etwas was beides sichert die Einkünfte von der Zukunft und gleichzeitig die Dekarbonisierung voranbringen kann.
BKZ: Kann die Innovation den Ausgleich schaffen oder muss man den Konsum herunterfahren?
Gornig: Innovation ist sicherlich der Schlüssel alles erträglich zu machen und weniger schmerzhaft zu machen, aber auch Innovation bedeutet Investition. Ich muss in Forschung und Entwicklung investieren auch das steht nicht dem Konsum zur Verfügung. Also von daher kostet auch innovieren im Prinzip Investitionsmittel.
BKZ: Ich hatte den Eindruck die Bundesregierung wollte in den letzten Jahrzehnten nicht sehr viel in erneuerbare Energie investieren, stimmt das?
Gornig: Das würde ich nicht sagen. Mag sein, dass sie vielleicht falsche Instrumente verwendet haben.
BKZ: Welche Instrumente? Wenn sie alles kompliziert machen oder Planfeststellungsverfahren ewig dauern?
Gornig: Genau, das ist möglicherweise ein Problem, aber es ist ja der staatliche Anstoß gewesen, der erneuerbare Energien vorangebracht hat, große Förderprogramme, die überhaupt erst die Fotovoltaik auf die Dächer gebracht hat, also der Staat hat eine Menge gemacht vielleicht nicht immer richtig, aber von guten Dingen gibt es nie genug.
Interview geführt von Mag. phil. Nader Mohamed
verschriftet von Rauja EL Khatib